Kleinstadtödnis Vol. 3. Kann mich nicht daran erinnern, dass der 1. Mai, Tag der Arbeit, in meinem Leben jemals erinnerungswürdig gewesen wäre.
Für mich ist das nur ein weiterer Feiertag, der einen an allen zum Opfer fallenden Tagen außer Sonntag am Einkaufen und so hindert, wie so oft in den Frühlingsmonaten. Ein Tag in Gedenken an die Arbeiterbewegung? Ein fränkischer, schwäbischer, emsländischer und ostfriesischer Grund, um eine umkränzte überlange Holzstange zu feiern. Stichwort Maibaum. Schön und gut, die SPD und die Gewerkschaften lassen heute sicherlich die Korken knallen und es ist sehr wichtig, bis heute, die Rechte von Arbeitnehmer/innen zu stärken. Aber daraus gleich einen gesetzlichen Feiertag zu machen statt nur einen Gedenktag: hmpf. Zwar zum Teil kein freudiger Anlass zum Feiern, aber warum ist z.B. nicht auch der 8. Mai, erinnernd an das Ende des Zweiten Weltkrieges anno 1945, ein gesetzlicher Feiertag?
Schon schön, dass die Sonne scheint. Die ganze Zeit überlege ich, ob ich mir einen Ruck geben soll, um jetzt hinauszugehen, oder vielleicht später am Nachmittag. Ups, da bin ich nach all dem Hin- und Herüberlegen wohl doch auf dem Sofa eingepennt. Wie spät?
Es ist 16:00 Uhr. Es läuft eh nichts Spannendes im Fernsehen, nur lauter Wiederholungen und ältere Filme für die ganze Drecksfamilie. Aber hier kommt ein Lichtblick: 3sat. Zuvor war ich schon leicht an einem Live-Konzert der Rolling Stones hängen geblieben. Aber nun konzertiert Peter Gabriel. Kaufen könnte man seine letztjährige Live-DVD New Blood eigentlich auch, aber da ich eh kein Fan von ihm bin… Andererseits, wow, die Orchestrierung zu seinen alten und etwas neueren Songs ist schon sehr gelungen, wunderschöne Pop-Avantgarde!
Oh, nein, meine spleenige Mutter kommt, warum auch immer. Jetzt solltest du spätestens abgehauen sein, raus in die Freiheit. Ich ziehe strapazierfähige Klamotten an wie eine Badehose und lasse Gesicht wie Haare und Gesicht ungewaschen/ungegelt/ungecremt. Nehme meine Tasche, Kamera und dazu auch das reparierte Rennrad. Wohin? Nach Wertheim. Ganz alleine.
Zeit für ein bisschen Nostalgie. Ich fahre den mittelmäßig steilen Schulweg zu meinem alten Gymnasium hoch und merke oben, über wie wenig Kondition ich verfüge. Und merke, dass sich hier oben so wenig verändert hat seit meinem Abitur, während ich heftig nach Luft schnappe.
Rase den Berg wieder herunter und halte an gewissen Plätzen, die früher, auch werktags, mit mehr Leben gefüllt waren. Was früher die Leberkäs-Brötchen-Zentrale REWE war, ist nun zum Teil der Nahkauf geworden, teils auch ein Russen-Laden. Das leerstehende schaufensterreiche Haus waren mal Die Tafeln.
Und wo einst ein Quelle-Katalogs-Outlet-Warencenter beheimatet war und noch früher das tolle Mainkaufhaus (Nähartikel, Briefmarken, Süßigkeiten, Spießerklamotten), ist nun ein großer Hauch von nichts.
Um 20:00 Uhr begebe ich mich wieder nach Kreuzwertheim. Ans Mainufer. Eine weiß gestrichene Bank um viel Gras lädt mich zum Draufliegen ein und ich schaue gen Himmel, wo schwarze Punkte die Schäfchenwolken umkreisen. Irgendwelche Fliegen oder gewässernahe Mücken sind das. Lese im mobilen Web Zeugs, mache wieder Fotos/Videos und denke mir: warum bin ich immer so alleine? Und: warum tut mein Hintern so weh nach den paar Stunden Rennradfahren?