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500 Wörter – 16.05.2012

16/05/2012

Greller Punkt / Ein Hoffnender

 

 

 

Greller Punkt

 

Wenn du zu lange nach oben siehst,

Nimmst du ungewollt jenes Licht

Mit, das im Orange-Rot heraussticht:

Ein großer, weißer, greller Punkt.

 

Und du schließt und öffnest, schließt,

Doch auch selbst beim Wiederöffnen

Vergeht der Punkt nicht sofortig,

Er verfolgt dich selbst im Dunkeln.

 

Nichts, was ihn aufhält, kann er sich

Doch sogar selbst duplizieren,

Verschieben löscht ihn auch nicht aus.

Spät geht er unter, in Ruhe.

 

 

© 16/05/2012 by SR/Sray

 

 

 

Ein Hoffender

 

 

Zeit, das ist die lange Treppe

Mit den vielen kurzen Stufen,

Die sich weit und breit erstrecke,

Wär sie nur gebaut für Träumer.

 

Doch ist sie ein steiler Steinbau,

Dreieckig mit einer Seite

Voller rechtwinkliger Quader,

Aneinander stur gereihte.

 

 

Oben, dort beginnst du selig,

Hier ganz oben sonnbeschienen,

Über dir der klare Himmel,

Wähnst du dich im Paradiso.

 

Stehst du nun an allem Anfang,

Die Erwartungen mehr niedrig,

Wunderst, ohne dass du weißt,

Warum andere hier warten.

 

Denn weshalb sie und er warten,

Angesehen von aller Augen,

Begreifst du doch wirklich nicht,

Nichts, was du dagegen tun kannst.

 

Wenn du merkst, dass nichts zurückkommt,

Fängst du einfach an zu schreien,

Laut und schrill die Stimme deiner

Bänder des wortlosen Halses.

 
Nun spürst du eine fremde Hand,

Die deine Schulter kurz erwärmt,

Gibt sie dir flugs einen Ruck und

Rollt mit dir dein ganzer Körper.

 

Du bewegst dich, schnell und schneller,

Wegbewegt von jener Plattform,

Von der du herunterfällst und

Ganz kurz schwebst, ein Augenblick nur.

 

Fest prallst du auf eine Fläche,

Harter Stein hält dich kurz auf, doch

Die Geschwindigkeit verlangsamt dich

Keineswegs, denn du rollst und fällst.

 

Du bewegst dich, schnell und schneller,

Und merkst, wie es nach unten geht,

Schwerkraft ist eine ungnädige

Frau in dieser steinernen Welt.

 

 

Du bewegst dich, schnell und schneller,

Nichts, was du noch machen könntest,

Hast die Hoffnung auf ein Halten,

Doch die Pein bezwingt dich bereits.

 

Atmen fällt dir ungemein schwer,

Schultern, Rücken, Hüften, Schenkel,

Längst verwundet und verprellt, bloß

Unversehrt dein wertvolles Haupt.

 

Du bewegst dich, schnell und schneller,

Windest dich, wirbelst, als spulte

Einer einen Faden auf und

Dieser ist für keinen sichtbar.

 

Niemand, der dir helfen könnte,

Nein, auf keinen der Stufen hier,

Keiner, der dich rettend auffängt

Oder dein Gefälle abbremst.

 

 

Allein bist du auf dich gestellt,

Sinnlos ist die rollende Qual,

Die die meisten Sinne betäubt,

Außer den Tastsinn all abstumpft.

 

Der Moment im Bilde vergeht,

Geht über in das nächste Bild,

So rasant, dass du nicht verstehst,

Die Momente so spärlich wahrnimmst.

 

Nichts bleibt bestehen und auch nicht

Das, was du siehst, denn schnell schwindet

Die verzerrte Sicht, der Schwindel

Macht dich buchstäblich zum Blinden.

 

Hörst du nur dich und sonst nichts,

Die Geräusche des Sturzes nur,

Den Kontakt deiner mit dem Stein,

Den Wind der unschuldigen Eil?

 

 

Doch wann endet dieses Spiel nur?

Irgendwann musst du aufprallen,

Landen auf dem Grund allen Seins,

Wo nichts mehr rollt, poltert und fällt.

 

Was wird danach nur geschehen?

Aufstehen, wieder aufsteigen,

Die Treppe andersrum nutzen,

Gar zum Anfang zurückdrehen?

 

 

© 16/05/2012 by SR/Sray

 

 

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500 Wörter – 22.04.2012

22/04/2012

Destroyer - Kaputt

 

 

 

 

Croaker Vol. 8 – Gedankenfetzen aus 140 Zeichen, die ich twittern oder auf Facebook posten könnte, aber nicht möchte. Jo, ich bin wieder da.

 

 

 

Liebe leute! seit diesem montag liiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiebe ich das regelmäßige #bloggen wieder!

 

Ich hatte fürwahr lange nicht mehr hier einen #blogeintrag geschrieben, was mehrere gründe hatte, u.a. fehlte einfach die nötige motivation.

 

 

Auch hatte ich weniger bloggenswerte ereignisse tagtäglich erlebt als in anderen monaten, in denen die vorlesungszeit reinfällt. ferien halt 

 

 

Ein dritter grund: meinem schönen #laptop ist etwas schlimmes passiert ist. dessen display ist „im arsch“, der wurde noch nicht repariert…

 

Grenzenlose dummheit & rücksichtslosigkeit meinerseits. Hatte am laptop im zug gearbeitet, musste aussteigen, doch meine in-ear-kopfhörer

 

…wollte ich nicht rausstecken, klemmte sie in den laptop, klappte diesen zu. dadurch drückten die kopfhörer in das display, innere brüche!

 

Als ich meinen laptop wieder aufklappte, entdeckte ich etwas abstraktes (s. bild!) auf dem bildschirm, aber nur wenige lesbare flächen, wtf?

 

Und da ich keinen #desktop-pc besitze, war ich ziemlich eingeschränkt im schreiben. Gelang auch nie in meine uni, um deren pc’s zu benutzen.

 

Entweder kaufe ich mir bald ein günstiges ersatz-netbook, benutze den laptop nur noch daheim mit angeschlossenem monitor oder ich blogge…

 

…nur noch von der #uni aus an den stationären rechnern. Immerhin muss ich ohne ständigen tipp-begleiter weniger kg mit mir herumschleppen.

 

 

Ansonsten liebe ich mein handy/#smartphone sony ericsson xperia mini (sony ericsson heißt telekommunikationsbezogen ab jetzt nur noch sony).

 

Hat aber seine macken. das #display ist halt „mini“, sodass sich damit nur auf komplizierte weise #500wörter täglich bewerkstelligen lassen.

 

Am nervigsten ist, dass die surf-flatrate von #fonic spinnt. wenn 9,95€ abgebucht wurden, warum geht nach 1 paar tagen doch nix mehr online?

 

 

Ansonsten sehe ich zunehmend aus wie einer jener männlichen fashionista-#abiturienten. denn gekauft wurden beige #chinopants & #desertboots.

 

 

Aber für beide musste ich nicht viel von meinem nebenjob-lohn ausgeben. es gibt ja mehr günstige klamottenläden als h&m. augen offen halten!

 

Aber diesen ach so schnittigen #mariogomez-haarschnitt, dieses halb-abrasierte, werde ich mir nie aneignen. #undercut, go fuck yourself!!!!!

 

& trotzdem bin ich im laufe dieses monats schnell, nun ja, pleite geworden. Kann mit geld nicht so gut umgehen, denke ich. Mann, mann, mann!

 

 

 

 

Und da mir gerade nichts einfällt, möchte ich mal, um die #500wörter zusammenzukriegen, noch ein paar #twithaikus zu diesem post adden, ok?!

 

bizarr ist die nächtliche welt / drückt sich schweifend aus in amorphen schwaden / wie schwelende augenbinden erkenntnisse verhindern #haiku

 

welch versuchende erscheinungen menschen sind / jeglicher geiz und liebreiz führen ins nichts / hier führet nur noch existenzialismus #haiku

 

machet mich frei von schuldnern / immerzu verengen diese den strohhalm meiner sorglosigkeit / fällend weilen ihre morschen axtschäfte #haiku

 

die nachbarschaft der güldenen einzelteile / der ganzen milchstraße versprechen mehr als möglich / vertiefen sie hoffnungen nur nicht #haiku

 

die abhängigkeit der bekannten vokale / erregen nur mittleres mitleid als altes ansehen / bedingen sinnliche symbiose der konsonanten #haiku

 

kennst du mich noch fotoalbum / wir durchlebten ehemals die abenteuer der ferne / heutzutage vergilbte und verwelkte unglückseligkeit #haiku

 

 

 

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500 Wörter – 21.04.2012

21/04/2012

Faustschlag

 

 

 

Letzten Donnerstagvormittag besuchte ich ein Hauptseminar in Englisch, Teilbereich Amerikanistik (amerikanische Literaturwissenschaft). Es geht in etwa um den demokratischen und kulturellen Aspekt von Poesie.

 

 

Schon mein drittes Englisch-LitWi-Hauptseminar. Die letzten zwei Hauptseminare hatte ich in den vorigen zwei Semestern besucht, aber nie mit einem Leistungsnachweis in Form einer Seminararbeit abgeschlossen. Naja, aller guten Dinge sind drei, nächste Chance.

 

Das Tolle an dem Thema dieses Hauptseminar ist, dass es neben Englisch/Literatur auch ein bisschen was von meinem anderen Hauptfach, nämlich Sozialkunde (Politologie und Soziologie) beinhaltet.

 

 

In dieser ersten – auch einführenden – Sitzung des Hauptseminars wurde mir wieder klar, warum ich von allen literarischen Hauptgattungen statt Dramen und Prosa (Romane, Kurzgeschichten und Ähnliches) Lyrik am meisten liebe.

 

Viele meiner Englisch-Kommilitonen finden Gedichte anstrengend, verstaubt oder können ihnen wenig abgewinnen. Wahrscheinlich sind sie einfach vorgeschädigt durch die Schulzeit, als man damals vor allem im Deutschunterricht dauernd Gedichte interpretieren musste. Meine Dozentin dieses Hauptseminars meinte jedoch im Voraus, dass wir klassisch formelle Aspekte wie rhetorische Figuren oder Metrum und Reimschema eher vernachlässigen werden zugunsten von Inhalt, Aussage und Assoziationen.

 

Meiner Meinung nach sind Gedichte literarische Texte, die gewissermaßen wie multimediale Kunst in quantitativ komprimierter Form wirken, also trotz ihrer relativen Kürze wahnsinnig viel zu bieten haben. Hier kann man mit Form und Sprache experimentieren, ein Wort mit dem anderen Wort verbinden und beide wiederum in den folgenden Zeilen weiterverflechten. Dadurch auch, dass Gedichte ein Stück weit privater und intimer sind, wie meine Dozentin sagte, können gerade die Leerstellen mit durchdringendem Leben gefüllt werden.

 

 

Passend zu meinem Nie-fertig-Werden im Studium und zu Gedichten habe mal einen Teil von Fausts berühmten allerersten Monolog aus Goethes Faust I umgeschrieben – in zeitgemäßem Deutsch und mit mehr studienbezogener Aktualität:

 

 

Faust sitzt in einem hochgewölbten, engen gotischen Zimmer

Auf seinem Sessel, unruhig wie immer.

 

FAUST:

Schaut mal, ich habe bereits so viel,

Jura und auch Medizin,

Später dann auch Theologie,

Studiert, trotz Ehrgeiz alles nicht meins.

Ich, Idiot, stehe mit leeren Händen da,

Und bin genauso schlau wie zuvor;

Egal, ob Magister oder den Doktor

Angestrebt, seit Jahren nichts zu Ende

Gebracht, eigenartige Umstände

Führten von einem zum anderen Fach,

Und selbst Kommilitonen haben mit Ach

Und Krach ihr Studium beendet, ohne

Genies geworden zu sein, nicht die Bohne.

Dabei kann ich viel mehr als die Snobs,

Bachelor, Magister und seelenlose Jobs;

Ich habe wirklich kein Mitleid mit ihnen,

Die werden doch eh nur dem Teufel dienen,

Der Kapitalismus heißt, ich selbst dennoch

Bin unglücklich, zwar klug, doch kein Arschloch,

Aber Wissen weiterzuformen könnte ich nicht,

Wie der Quantenphysiker mit Licht,

Ich habe weder viel Besitz noch Geld

Oder ehrwürdige Qualifikationen von Welt,

Was für ein Scheißleben das doch ist!

Doch umgehen kann ich das mit List.

Was mir hilft, ist ein magischer Schluck Elixier,

Das sich nennt Whiskey, Wein oder Bier.

So bekomme ich Inspiration zu mehr

Kreativität, die Kunst nicht so leer

Wie meine bisherigen studentischen Wehen.

Dann werde ich auch verstehen,

Was der Sinn des Lebens und mehr sein wird.

Dann bin nicht mehr der, der akademisch herumirrt.

 

 

 

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500 Wörter – 02.02.2012

02/02/2012

Schreibende Kreationisten

 

 

Es ist schon eigenartig, dass ich zwar über die Teilnahme bei der ersten Sitzung des Creative Writing Seminar im letzten Semester (500 Wörter – 11.05.2011) geschrieben habe, aber nie wieder über die weiteren Kurstermine. Beziehungsweise habe ich nie über die Lesung gebloggt, bei dir wir unsere literarischen Ergüsse vor einem Publikum vorstellen durften.

 

 

Ich muss schon sagen, dass der Kurs für Kreatives Schreiben im Sommersemester 2011 durchaus interessant war, da man als Kursteilnehmer erkannte, dass auch andere Studenten manchmal gerne literarische Texte – auf Deutsch und/oder auf Englisch – für sich schreiben. Als Hobby, nicht als einzige Ausflucht aus dem Studium. Wir hielten uns alle, vielleicht bis auf eine Person, nicht für vollendete Jungtalente mit Hang zur übersprudelnden Kreativität. Wir waren keine Rohdiamanten, die zu den nächsten jungen und brillianten Herta Müllers oder Jonathan Franzens sind wir gewiss nicht mutiert.

 

Mein Leben wurde dadurch nicht verändert, aber zumindest erhielt ich etwas mehr Selbstbewusstsein, um geschriebene Gedichte und Kurzgeschichten auch einmal anderen Leuten zu zeigen, um Kritikfähigkeit zu üben und um mir zu beweisen, dass ich nicht total talentlos in Sachen Schreiben bin. Es war aber durchaus auch unterhaltsam, heimlich mit Janine und Goldbasti, die zu Freunden wurden, über Texte lachten, die sich um über Vampire, Yetis, Zuhältergnome und Mondeinhörner drehten.

Bei der Lesung, die in einem Hörsaal stattfand, waren zwar nur knapp 20 Gäste anwesend. Dennoch freute es mich, dass sich unsere Freunde und gar ein paar Englisch-Dozenten die Mühe machten, uns dort zu besuchen und uns zuzuhören. Janine stellte ein abstraktes Gedicht vor, das die Worte „Möwe“, „schwanger“ und „Frittierfett“ beinhaltete. Goldbasti las seine melancholische Kurzgeschichte vor, die sich um einen mit sich selbst unzufriedenen Philosophiestudenten mit weißen Slippers drehte. Und ich gab zwei kurze Gedichte über „Unschlaf“ und „Fastschlaf“ von mir. Mein damaliger Literaturwissenschafts-Dozent Mr. P. erkannte in ihnen eine verdrehte Version eines Sonetts und fand sie gut, was bei ihm viel Wert ist.

 

 

Warum ich erst jetzt und gerade jetzt darüber schreibe? Also gestern war wieder eine Lesung des Creative Writing Seminars, diesmal mit anderen Protagonisten im Mittelpunkt als wir, denn wir machten in diesem Wintersemester nicht mit, einmal reicht auch. Ich war durchaus neidisch, dass im Gegensatz zum letztsemestrigen Happening viel mehr Werbeposter aushingen. Tatsächlich waren auch mehr Leute anwesend, allerdings war auch dieses Mal der Hörsaal nicht mal bis zur Hälfte voll.

 

Es gab wieder ein Mini-Büffet, an dem man sich in der Pause bedienen konnte. Und wieder war der Ablauf so: erster Student oder Studentin liest vor, oft mit Beamer-Projektion des getippten Textes. Dann beantwortet er oder sie die Fragen des Publikums, die sich zwischen zwei und fünf Anmerkungen beschränken. Dann ist der nächste Student oder die Studentin dran.

 

Für Janine, Goldbasti und mich war es seltsam, bei etwas anwesend zu sein, das man früher einmal von einer anderen Perspektive erlebt hatte. Wir waren auch etwas enttäuscht von den Werken der fünf LeserInnen, die meist entweder uninspiriert oder krampfhaft intellektuell und gekünstelt wirkten. Ein oder zwei Kurzgeschichten waren in Ordnung, aber ließen einen trotzdem unbeeindruckt zurück. Schade eigentlich.

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500 Wörter – 26.01.2012

26/01/2012

Zornissen

Heutige Todsünde: Zorn. Gegenspieler: Geduld.

 

Zornissenstiche

Wenn du als Kind von deinem Vater
Zum Fußballspielen mit anderen
Kindern geschickt wirst, obwohl
Du die Spielregeln gar nicht kennst.

Wenn deine Mutter dich vom damals noch
Geliebten Schulalltag entreißt, nur weil
Sie nicht bis zu deinen Ferien warten
Kann, mit dir in den Urlaub zu fahren.

Wenn du nicht begreifst, warum du
Keine Unterstützung erhältst beim
Erlernen des Schwimmens, und du dies erst
Nach der Seepferdchen-Prüfung kannst.

Wenn du als Viertklässler
Von Jungs aus der
Parallelklasse grundlos
Als „Chineeeeeese“ gehänselt wirst.

Wenn sich deine so oft
Streitenden Eltern scheiden lassen,
Aber du lange Zeit nicht erfährst
Aus welchem Grund sie dies taten.

Wenn du mit zehn Jahren unsittlich
Von einem Klassenkameraden
Berührt wirst, obgleich du noch keine
Ahnung hast, was er da mit dir anstellt.

Wenn du dich wie das einsamste Kind
Auf der Welt fühlst, weil du keine
Geschwister hast oder Menschen,
Mit denen du über solche Dinge reden kannst.

Wenn du begreifst, dass deine Sexualität
Von der der anderen doch abweicht, womöglich
Kein Gespräch möglich ist, sonst wohl niemand so
Empfindet, du dich dabei noch einsamer fühlst.

Wenn du auf dem Gymnasium wie die anderen
Sein willst, nicht kapierst, warum alle anderen
Über sich hinauswachsen, nur du so
Kleinwüchsig bleibst, nicht treibst.

Wenn du im Sportunterricht immer
Als letzter, vorletzter oder vorvorletzter
In ein Team gewählt wirst, da du sportlich
Scheinbar eine komplette Niete bist.

Wenn du dich fragst, warum deine Eltern
Dich eigentlich nie sportlich oder musikalisch
Gefördert hatten, außer an dem traumatischen
Einen Mal damals auf dem Fußballplatz (s.o.).

Wenn du dich ausnutzen lässt, sei es finanziell
Oder materiell oder zwischenmenschlich,
Nur weil du dir selber erhoffst,
Ein Quäntchen Zuneigung zu erfahren.

Wenn alle Menschen um dich herum
Bereits ihr privates Glück gefunden haben,
Du selber jedoch immer mit
Leeren Händen zurückgelassen wirst.

Wenn du unbeabsichtigt Kuppler zweier
Menschen geworden bist, und diese
Zu einem Paar geworden sind, dieses
Sich jedoch niemals bei dir bedankt hat.

Wenn du merkst, dass dein
Hab und Gut, das du eigentlich
In einem Uni-Spind eingeschlossen hattest,
Durch Aufbrechen des Schlosses entwendet wurde.

Wenn ein Ex-Finanzmensch sich herausnimmt,
Ein Unsachbuch über die mangelnde Integrations-
Bereitschaft von Migranten zu schreiben, damit Erfolg hat,
Schauen dich Fremdpassanten nun mit urteilenden Augen an.

Wenn ein hoffnungsvolles Date
Sich beim Treffen auf einer Party
Als uninteressiert heraustellt und öffentlich
Mit jemand anderem herumknutscht.

Wenn ein anderes Date erst beim Chatten
Honig um den Maul schmiert, auf einer Party
Dann denselben Fehler wie oben begeht,
Mit einem eher feindlich gesinnten Intrigolo.

Und wenn du geduldig alles ertragen hast,
Merkst, dass du dich nie gewehrt oder gerächt hast,
Dann richtet sich die unterdrückte aufgeschäumte Wut
Plötzlich gegen dich.

Zornissen stechen und pissen
Dir gerne so oft in die Haut,
Bis die gepiesackten Löcher unlautes Blut herauskotzen.
Und du vergiftest dich. Aus Wut und Unmut

Und größerem Hass auf andere Menschen
Wird Selbsthass, und größerer Selbsthass,
Selbsthassgefühle, Hass auf dich, nur auf dich,
Und ich hasse mich, mich, nur mich.

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500 Wörter – 19.08.2011

19/08/2011

Anti-Sommer 2011

Wir erleben zurzeit endlich einmal wieder mehr Sonnentage, zuvor konnte man in den vorigen Wochen vor lauter Schauern und Gewittern förmlich nur noch brechen. Klar, der Sommer 2011 wird wieder mehr seinem Namen gerecht. Ich habe an einen der letzten Sonnen-Augenblicke im letzten Monat gar ein Gedicht über den Zauber solcher wärmenden Wetterspiele geschrieben:

Gelbe Zeiten

An sommerlichen Tagen wie diesen,
Wenn durch ihre Macht
Die überragende Sonne
Mit ihren warmen Armen und Händen
Alles durchdringen will,
Spielen alle Farben verrückt.

So glühen die Weingläser
Des Stadtcafés wie
Königliche Goldkelche,
Wie durch Safran färbt sich
Das Häufchen Weiß der Sahne
In Zabaione und Senf.
Vanilleeis und Zitronensorbet
Wird von lauter
Blondierten Menschen
Mit Frohsinn verzehrt.

Aufgeschlagene Bücher
Schimmern wie Maisfelder,
Und Birnenblätter werden
Belebt mit Zitrin und Chartreuse.
Die kleinen Tümpel am Fuße
Des Brunnens, die durch
Wasserverliebte Kinder
Außen herum entstehen,
Gleichen einem Bernsteinteich.

Es scheint, als verkaufe man
Auf dem Markt nur noch
Narzissen und Butterblumen,
Und Kalifornischen Mohn,
Und auf den Straßen bloß
Taxen und US-Schulbusse.

Dieses tausendfache Farbenspiel
Sollte mich eigentlich so
Sehr erfreuen, verzaubern,
Doch ich bin in Missstimmung:
Mein vergilbter Körper
Schwitzt sichtbar,
Jedoch transparent,
Aus allen Poren.

[SR (c) 2011]

Naja, das Schwitzen finde ich eigentlich nicht so schlimm, gehört halt dazu zu einem richtigen Sommer.

Der Sommer heuer jedoch gehört zu diesen Anti-Sommern, die wir Deutschen nicht gewohnt sind. Rudi Carrell sang einst „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“. Irgendwann Ende der 90er-Jahre ähnelte der Sommer einmal eher dem Herbst, auch während der Nullerjahre kamen an zweien die stark regnerischen Sommermonate nicht gut bei uns an.

Vor Regen ist man in einen der Waggons der Deutschen Bahn durchaus geschützt. Doch vor technischen Problemen bei extremen Temperaturen war man lange Zeit nicht gefeit. Letzten Winter fielen laut Schlagzeilen erstaunlich oft die Zug-Klimaanlagen aus. Im vorigen Sommer war das nicht viel anders, nur litt man statt schlimmen Erfrierungen 2010 unter Bewusstlosigkeit oder Schlimmeren wegen Überhitzung. Hatte mich diese Saison schon aufs Bahn-Bashing wegen neuer Klimatechnik-Ausfällen gefreut (aber natürlich nicht auf Kosten der denen ausgesetzten Bahnpassagiere). Doch anscheinend hat die Bahn dazugelernt, ihre Züge verbessert, sie macht nur noch mit „Stuttgart 21“ negativ von sich reden.

Ich fahre selten Zug.

Andererseits sind Mitteleuropäer auch solche Pussies. Zu kalt, jetzt zu heiß! Wir Deutsche jammern zu gerne, nörgeln darüber, dass der Winter zu hart und zu eisig ist. Wir lassen uns aber, sobald man sich kaum noch über frostige Temperaturen ärgern kann, dann wieder über Über-Wärme aus. Nie sind Deutsche zufrieden! An den wenigen 30-Grad-Plus-Tagen kotzen sich oft Freunde und Bekannte bei mir aus. Ich sage dann: seid doch froh, dass es hier nicht mehr scheißkalt und winterlich zugeht. Verreist doch sonst einfach!

Klar, das Wetter ist dem Klimawandel geschuldet. Dennoch: ich bin ein Sommerkind, ich hasse nur den Winter. Ich bin Anfang September geboren, meine Eltern kommen ursprünglich aus einem tropischen Land. Vielleicht ertrage ich warme bis heiße Temperaturen dadurch besser als andere. Doch ich lasse mir meine wenigen Sommermomente nicht vermiesen, nicht von Nörglern, nicht von Regenschauern.

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500 Wörter – 11.05.2011

11/05/2011

500 Wörter

Mittwoch. Sonniger Tag, fast leere Hubland-Caféteria, unerwartet unstickig. Ich wäre aufgrund der heute ausfallenden Mittwoch-Kurse – Grund ist das Stiftungsfest der Uni Würzburg, zu dem alle Uni-Mitarbeiter eingeladen sind – heute daheimgeblieben, hätte ich nicht etwas für das Englisch-Gedichte-Hauptseminar (siehe 05.05.2011) Sachen zu lesen.

Bin auch deswegen in der Uni, weil ich gestern bei Female Dennis übernachtet habe. Lieb von ihr und ihren drei Mitbewohnern war, mir das anzubieten. Allerdings war sie gestern Abend auf einem Konzert außerhalb Würzburgs, dadurch selber nicht anwesend: die einzige, die ich als ihr Kommilitone richtig gut kenne von der Vierertruppe. Ihre WG befindet sich praktischerweise unweit vom Hubland-Campus. Habe dort gepennt, weil die beschränkten Würzburg-Wertheim-Transportwege wieder Probleme machten. Abfahrt des letzten Busses zu meinen Eltern: 18:15. Mein letzter Dienstag-Kurs: 18:15-19:45. Hätte so nicht heimkommen können.

Habe für dieses Semester das „Creative Writing Seminar“ belegt, das eben zeitlich recht spät angesiedelt ist im Stundenplan. Diese wissenschaftliche Übung findet alle zwei Wochen statt, selten ist für Uni-Kurse. Ich hatte zunächst eine Gruppe aus lauter verkopften Literaturwissenschafts-Cracks erwartet, doch waren es tatsächlich sieben normale Englisch-Studis mit Schreibtalent, nur ein weiterer Kerl ist drin. Eine bloß von ihnen hatte schon sehr viele journalistische Jobs erledigt, ansonsten sind die anderen Studenten vom ersten bis zum achten Semester (u.a. ich) alle nicht übermäßig von sich überzeugt, eher unaffektiert und begierig, neue Eindrücke und Anstöße zu gewinnen für ihre Kurzgeschichten, Gedichte und, ähm, Fan-Fictions (tatsächlich bei einer Kommilitonin der Fall!).

Der Dozent ist ein Neuling in Würzburg, eher nachdenklichen Gemüts, aber umgänglich. Erklärte uns, dass dieses Seminar keines ist, um Anleitungen zum Kreativ-Schreiben zu erhalten. Vielmehr soll es als Plattform für Diskussionen über einen vorgestellten und vorgelesenen kurzen Text eines jeweiligen Kursteilnehmers dienen. Highlights sind die Veröffentlichung und Lesung der besprochenen Werke später. Was ich nicht wusste: die Kreativ-Texte konnten auch auf Deutsch sein, nicht nur auf Englisch. Hätte ich mir eigentlich denken können, denn der Kurs an sich wird ebenso auf Deutsch abgehalten.

So wurden dann für jene Sitzung die zwei kürzesten Texte aus allen, die wir ihm zur Kursanmeldung damals zuschickten, ausgesucht. Kopien für das Kolloquium. Ich ahnte Schlimmes. Der eine Text war eine sehr eindringliche Kürzestgeschichte namens „Rockets and Missiles“ einer Kommilitonin, die aufgrund des Realismus durch die teilweise sehr abgehackten Sätze beeindruckte. Der zweite war in der Tat meines: mein englischsprachiges Gedicht „Archeological Remains“ (archäologische Überbleibsel).

War mir etwas unangenehm, dass ich mit dem Gedicht unerwartet so im Mittelpunkt stand. Die verbale Auseinandersetzung damit seitens der anderen war anfangs sehr zaghaft, dann etwas reichhaltiger. Diese Stille. Ich nahm an, dass sie von der teilweise sehr gehobenen Sprache irritiert waren, auch inhaltlich war es „schwere Kost“. Der Grund war, dass ich das Gedicht extra für dieses Kurs geschrieben hatte, mit möglichst vielen schönen, poetisch klingenden, schwierigen Wörtern experimentiert hatte, um nicht als banal dichtender Schreiberling dazustehen. Den Klang und die Mehrdeutigkeit der Aussagen haben die anderen aber durchaus gelobt. Einzig ein paar grammatische Fehler hatten sich eingeschlichen, aber ich bin ja auch kein perfekt sprechender Englisch-Muttersprachler. Kam aber insgesamt gut an.

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500 Wörter – 05.05.2011

05/05/2011

500 Wörter

Sitze gerade geflasht zwischen zwei Terminen in der Uni herum. Mit Laptop, der tatsächlich gerade auf meinem Schoß („lap“) liegt, Strom braucht. Akku-Leere. Steckdosen sind in der Universität Würzburg rar, freie Tische in deren Nähe erst recht.

Der folgende Termin, in ein paar Minuten: Mensaessen mit Freunden. Der vorangegangene, der mich momentan nachhaltig beeinflusst aufgrund des Strommangels und dem Flash-Gefühl, war ein Kursbesuch. Hauptseminar-Besuch (Voraussetzungen: Halten eines Referates, eine Hausarbeit und regelmäßige mündliche Mitarbeit). Fachbereich: Englische Literaturwissenschaft. Thema: UK-Poetry, welche vom Ende des 19. Jahrhunderts bis ca. 1930 geschrieben wurde. Spätviktorianische und modernistische Gedichte, Gemeinsamkeiten, Unterschiede.

Geradeeben endete die erste Sitzung. Deswegen bin ich noch geflasht, elektrisiert, genug unter Strom stehend, dass ich damit den Akku meines Laptops aufladen könnte. Mein Dozent, ein Professor, gilt als harter Prüfer, anspruchsvoller Lehrbeauftragter, Gern-Hörer seiner eigenen Worte. Anders gesagt: als jemand, der keinen wirklich guten Ruf unter den Englisch-Studierenden genießt. Wird er zu Recht gefürchtet? Stöhnen Kommilitonen zu Unrecht, wenn sie seinen Namen hören? Ja, er ist anspruchsvoll, etwas selbstverliebt, hat gewisse Allüren. Lässt sich aber damit rechtfertigen, dass er auch zu den Besten gehört, dass er sich in seinem Fachbereich unglaublich auskennt. Er doziert mit Leidenschaft, ist reflektierend, dazu gelegentlich sehr witzig, ohne albern zu sein und das fehlt manchen Dozenten heutzutage.

In dieser ersten Sitzung ging es erst, wie bei ersten Sitzungen eines Kurses üblich, um organisatorische Dinge wie Teilnahmevoraussetzungen und die thematische Erläuterung des Seminars. Doch schon im zweiten Part der Sitzung tauchten wir, ca. 30 Leute – Laura und Thilo kenne ich bereits länger – direkt in das Thema ein.

Noch vor Sitzung Nr. 1 sollte das Gedicht „The Second Coming“, bedeutend die zweite Wiederankunft – wohl von Jesus Christus – gelesen werden. Von W.B. Yeats, irischer Autor, normalerweise der Modernism-Epoche zugeordnet. Mein Dozent stellte trotz hoher Redeanteile hin und wieder auch Fragen zum apokalyptischen religiös-mystischen Gedicht, 1919 geschrieben. Jener allegorienreiche Text handelt von der Welt, die in Schutt und Asche liegt, erster Weltkrieg halt, welcher einer Chimäre entgegensetzt wird, die zum Jahrtausendwechsel wiedererweckt würde, dann wiederaufersteht und nach Bethlehem trottet. Eventuell die Sphinx oder das ähnlich geartete Fabelwesen Mantikor.

Zum Beispiel stellte er die Frage, was so modernistisch an dem Gedicht sei oder eher viktorianisch. Oder was der darin u.a. erwähnte Spiritus Mundi sei, dessen Abbild wohl diese Sphinx darstelle. Kein Spezial-Grillanzünder, sondern der Weltgeist im mythologischen Sinne, der das Universum und die Erdbewohner zusammenhalten soll und das spirituelle Gesamt-Gedächtnis personifiziert, sagte ein Teilnehmer.

Mir fielen trotz zweier Wortmeldungen während der Sitzung noch viele weitere Fragen und Anmerkungen ein, die ich gegen Ende nicht mehr verbalisieren konnte, Sitzung fast vorbei. Hätte u.a. gefragt, ob dieses Abbild des Spiritus Mundi, dieses „kollektive Unbewusste“ (C.G. Jung), diese allumfassende Intelligenz, denn nicht bereits existiere: hallo, das Internet! Liegt das nicht auf der Hand? So aber behielt ich den irgendwie lustigen, aber nicht unplausiblen Gedanken für mich. Schade. Dass dieser Kurs aber gar solche Assoziationen in mir weckt, zeigt, dass dieses Poetry-Hauptseminar meine Kreativität und Begeisterung für Literatur wiedererweckt. Bin eine erfreute Sphinx.

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Rücksitz-Rücksicht

19/03/2011

 

Rücksitz-Rücksicht

Flirrende Alleen entlassen
Teilweise das Tageslicht, bloß
Helle Spalten, schmal in Massen,
Wechseln ab mit Stämmen: breit, groß.

Hoch und dunkel, massiv also
Stehen diese dort und spenden
Matten Schatten, finstern en gros
Den Asphalt: wo soll das enden?

 

[ (c) 2011 by SR / Sray (pictures and text) ]