Bei dem Namen Madonna denken die meisten Menschen zuallererst an die „Queen of Pop“, weniger an die künstlerische Repräsentation der Mutter Jesu. Ikonen sind/waren sie jedoch beide.
Madonna war einstmals einfach nur tanzende Pop-Sängerin/-Songwriterin. Bereits die dritte Single-Veröffentlichung „Holiday“ aus dem selbstbetitelten Debütalbum 1983 war ihr erstes D-Singlecharts-Lebenszeichen.
Ab dem zweiten Album Like A Virgin (1984) fing anschließend das Spiel mit der Inszenierung als „Material Girl“ oder Fake-Jungfrau an.
Mit True Blue (1986) wurde sie wieder optisch/musikalisch mädchenhafter und zurückhaltender.
Like A Prayer (1989) hat sie dank hochgelobter lyrischer Auseinandersetzung mit Gender-Themen („Express Yourself“) und privater erzkatholischer Erziehung („Oh Father“) endgültig zum Gesprächsstoff fördernden Star gemacht.
Erotica (1992) war ein noch provokativerer Befreiungsschlag mit sexy Musik, körniger Schwarzweiß-Bebilderung und eindeutig Zweideutigem.
Zahmer, mit R’n’B und Mainstream-Tauglichkeit auch langweiliger ging es trotz Albumtitel bei Bedtime Stories (1994) zu.
Das spirituell durchsetzte und erwachsene Ray of Light (1998) war sensationell erfolgreich UND bei den Kritikern heißgeliebt. Einen Moment lang war sie die coolste Frau im Universum. Künstlerischer Zenit.
Music (2000) hatte zwar funky Dance-Singles wie „Don’t Tell Me“ oder „Music”, aber weltbewegend sah und hörte sich anders aus.
Ungelenker war American Life (2003), mit der sie der Öffentlichkeit beweisen wollte, dass sie auch politisch und introvertiert sein kann.
Confessions of a Dance Floor (2005) hingegen war für die Hüften und Beine. ABBA-Sample? Gähn. Immerhin war sie hier der Euro-Dance-Revival-Epidemie heutzutage um Jahre voraus.
Was man von Hard Candy (2008) eher nicht sagen kann. Hier biedert sie sich zum ersten Mal knietief dem damaligen Mainstream-Zeitgeist an. R’n’B und Hip-Hop? Naja. Spannend war höchstens der wieder verworfene Albumtitel Black Madonna.
All diese Alben wurden nun im Box-Set The Complete Studio Albums (1983-2008) untergebracht und heuer fast gleichzeitig zum momentanen Studioalbum-Release veröffentlicht. Anfang vom Ende?
Frau Ciccone hat im Laufe ihrer Karriere auch in anderen Berufsgewässern wie Kinderliteratur und Spielfilmen (als Regisseurin, Anti-Schauspielerin und Soundtrack-Lieferantin) gefischt. Verständlich, dass sie dadurch nun ihren Hauptfokus, kommerziell wie kulturell erfolgreiche Musik zu machen/performen, verloren hat.
Früheres Image: Image-/Mode-Chamäleon, Schwulenmutti, Power-Frauenversteherin.
Heutiges Image: Kaballah-Makrobiotik-Anhängerin, Toyboy-Spielkameradin, Malawi-Adoptivmutter.
Ist Album Nr. 12 MDNA (2012) jetzt ihr musisches/wirtschaftliches Todesurteil? Okay, Neueinstieg auf Platz 1 der US-Albumcharts. Doch früher dominierte Madonna mühelos als Pop-Königin Album- UND Singlecharts wochenlang. Ihre aktuellen Singles floppen neuerdings alle.
Künstlerisch ist sie längst abgeschrieben. Alle hacken zwar auf ihre 53 Lenze herum, angeblich sei sie zu alt. Aber die Alterszahl eines musikalischen Künstlers ist eigentlich irrelevant, siehe/höre Kate Bushs oder Leonard Cohens „Spätmeisterwerke“ (nicht meine Meinung).
Einst war sie Wegweiserin, heute hechelt sie ihrer Konkurrenz hinterher, die von ihr gelernt und Madonna bereits überholt hat. Nicht nur, dass sie Lady Gaga, Katy Perry und Rihanna nachahmt, über die sie gleichzeitig heuchlerisch lästert, sondern sich selbst zitiert wie im „Girl Gone Wild“-Musikvideo. Die neue Angepasstheit an den Musikmarkt?
Das kennen wir schon, warum sollen wir deinen Scheiß noch hören/abkaufen? Eigentlich kann sie bei ihrem Vermögen auch einen kommerziellen Fehltritt mit künstlerischer Experimenten-Freiheit erlauben. Hier hat aber wohl eine Rückentwicklung stattgefunden: von der Lichtstrahl-Mutter zum ach so wilden Mädchen. Tragisch.