Sprechen wir über Nicki Minaj.
Was war das damals für eine aufregende Zeit im November 2010, als nicht nur Nicki Minajs Debütalbum Pink Friday erschien. In derselben Woche wurde auch Kanye Wests überehrgeiziges Opus Magnum My Beautiful Dark Twisted Fantasy (2010) veröffentlicht, auf dem die in Trinidad geborene Amerikanerin auf seinem Track „Monster“ glänzte und selbst Jay-Z und Kanye an die Wand rappte. Hingegen fiel ihr eigenes sehr poplastiges Album künstlerisch und kommerziell natürlich etwas ab, doch schaffte sie für eine – zugegebenermaßen sehr medienwirksame – Newcomerin dennoch einen respektablen zweiten Platz in den US-Albumcharts. Kanye kam damals in der ersten Woche direkt auf Platz 1 und erst im Februar 2011 gelang ihr die Pole-Position.
Während Nicki Minaj mit ihren Singleauskopplungen Ende 2010 und 2011 riesige Erfolge in den Staaten feierte, vor allem mit „Your Love“ und „Super Bass“, nahm man in Deutschland eher wenig Notiz vom farbenfrohen Perücken-Fan. Manchmal kam sie in deutschen Musiknachrichten vor, aber weder das Album noch ihre Singles wurden hierzulande zahlreich gekauft. Kaum eigentlich. Die grimassierende Exzentrikerin galt in Deutschland als große Unbekannte, die zumindest Lady Gaga in Sachen modischer Freakness und Fan-Fürsorge (ihre barbs) ähnelte. Zu amerikanisch die Musik? In den USA galt sie bereits als die neue Hip-Hop-Queen seit Missy Elliotts Autoimmunkrankheit geschuldetem Rückzug.
Irgendwann fing Nicki Minaj an, sich dem grassierenden Ami-Trance-Hype zu fügen, welcher seit 2010 allmählich fast alle Contemporary-R’n’B-KünstlerInnen überfiel. Tschüss, Timbaland und die Neptunes. Willkommen, David Guetta als neuer Super-Produzent. Ausgerechnet mit dem Napoleon der Singlecharts tat sie sich zusammen, woraus das grässliche „Where Them Girls At“ mit Flo Rida entstand. Ergo: der erste Einstieg in die deutschen Singlecharts für sie. Höchstposition Platz 5.
Es folgten die zweite Guetta-Kollabo „Turn Me On“ (mit Raps und Autotune-Gesang) und Madonnas erste MDNA-Singleauskopplung mit Minajs Gastbeitrag, heuer beides ebenso TOP10-Platzierungen in Deutschland. Ihr zweites Album sollte an den Erfolg nahtlos anknüpfen. Pink Friday: Roman Reloaded (2012). Spätestens hier haben Guetta und Co. mächtig auf ihren Sound abgefärbt.
Leider. Die erste Hälfte fängt recht solide an, es herrschen mehr oder weniger minimalistische Hip-Hop-Sounds. Zwar ist die Non-Album-Single „Roman in Moscow“ nicht mit dabei, dafür aber „Come on a Cone“, „Beez in the Trap“, und der fast klassische Hip-Hop-Track „Champion“ mit Nas, Drake und Young Jeezy. Nach diesem Höhepunkt fängt das Album ab dem achten Track an zu kippen. Die letzten zwei „Rap“-Songs klingen klanglich und lyrisch arg domestiziert und bereiten einen auf den Eurodance-Moloch vor.
Es folgen lauter von Produzent RedOne verätzte Dance-Tracks wie die Single „Starships“, die den ersten D-Single-TOP20-Solo-Hit für Minaj bedeuten sollte. Das Musikvideo ist ja in seiner Optik trotz Effekte- und Titten-Arsch-Overkill in Stummschaltung ganz spannend, aber die Autoscooter-Beschallungs-Mucke für ADHS-Kinder? Böse!
Der Rest des Albums bleibt tanzbar und beschissen, zudem wachsen die Songtexte nicht über das Liebe-Spaß-Einerlei hinaus. Obwohl von vielen verhasst, mag ich den Schlusstrack „Stupid Hoe“ zusammen mit dem zersprengten Videoclip ganz gerne, weil hier schön frech gerappt wird, auch wenn das alles etwas „stupid“ klingt. Aber bissiger und aufatmender als die House-Einöde zuvor ist die Single allemal.