Eigentlich wollte ich heute über den gestrigen Trink-Abend mit meinen Freunden in der WG schreiben. Doch irgendwie hat es sich so ergeben, dass ich heute erst einmal über Hipster schreiben wollte. Der Post folgt morgen an gleicher Stelle…
Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich von anderen Menschen oft in allzu beschränkte Schubladen gesteckt werde. Z.B. „Queer Guy“, „Asiate“ oder „Musik-Hipster“. Es kann schon sein, dass ich mich etwas mehr für Musik interessiere als manch andere meiner Freunde und Freundesfreunde. Ich fahre aber nicht „nur“ auf den „neuesten Scheiß“ in Sachen Musik ab, nur weil ich oft Indie-Musik-Blogs verfolge oder Musikzeitschriften lese. Okay, mag sein, dass ich ja durchaus ein „Hipster“ bin, aber dann eher in der ursprünglichen Bedeutung.
Das, was wir heutzutage als Hipster bezeichnen, wird im angloamerikanischen Raum auch manchmal scenester genannt. „Hipster“ ist heutzutage negativ konnotiert, eher an den Lebensstil eines meist jungen „settled urban middle class adult“ (toller englischssprachiger Wikipedia-Artikel) geknotet. Dieser ist getrieben vom Drang, sich abgrenzen zu wollen von der biederen Restgesellschaft, in der offensichtlichen Hinsicht, dass Kleidung, Frisur, Attitüde, Job, Nachtleben, Wohnsituation eine hippe Einheit bilden. Trends, egal wie kurzzeitig sie da sind, werden verfolgt. Kulturelle Interessen wie Musik oder Filme sind eher Teil der Introspektivität, demnach auch etwas weniger offen zur Schau gestellt. Höher, schneller, weiter, hipper! Dadurch wird der Mensch aber in der Wahrnehmung zum wandelnden Klischee: zum Konsumfetischisten, zum doof dauergrinsenden Oberflächen-Liebhaber, dem etwas Tiefgang fehlt.
Ich würde mich nie als solcher so sehen, wobei mich Herr Leo outfitmäßig einmal bereits als bohemian bezeichnet hatte. Naja, das ist etwas anderes. Ich bin eh zu pleite, um dauernd American-Apparel-Unterwäsche, Ray-Ban-Wayfarer-Sonnenbrille, Jeans von Band of Outsiders oder schicke teure Schuhe meist unbekannter Labels zu kaufen. Das schrille Vice-Magazin lese ich nicht, mag aber Terry Richardsons Fotografie. Ich gehe selten ins „Café zum schönen René“ oder ins „Kult“ (in Würzburg). Typische Kultgegenstände oder -orte zur Wiedererkennung von Hipstern mit hoher Eitelkeit sind das.
Damals in den 40er-/50er-Jahren galt ein Hipster jedoch als Musikkenner, dem sein Aussehen eher egal war. Vorrangig waren hingegen seine neuesten Platten und das Austauschen von neuestem Wissen mit anderen Experten. Erst später wurde der Hipster zum Beatnik, für den neben Musik auch der Lifestyle wie der sogenannten Beat-Literatur (Jack Kerouac) und Kleidungsstil wichtig war.
Heutzutage wird eher Indie-Pop und -Rock als das neue Gesprächsmaterial für Neo-Hipster mit großem Musikinteresse, aber nicht nur. Auch andere Musikgenres wie HipHop (Kanye West, Shabazz Palaces) oder gar Punk (Fucked Up) oder Metal (Liturgy) dienen dem Distinktionsgewinn, um mit ihm an der Masse vorbeizukurven.
Doch was „hip“ und was „unhip“ (aber irgendwie doch gern gemocht) ist, ist nicht immer so einfach zu trennen. Mode-Hipster haben ja vielleicht auch eine verletzliche Seele, Nerdcore-lesende Hipster womöglich eine Schwäche für Beethovens 3. Sinfonie. Die Hipster-Redakteure inzwischen namhafter Indie-Blogs wie Pitchfork oder Stereogum geben offen ihre Liebe zu den eher „uncoolen“ Beyoncé, Adele und R.Kelly zu.
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Den zweiten Teil dieses Hipster-Artikels könnt ihr auf dem neuen Blog Tonprotokoll weiterlesen. Hier geht es entlang!