Letzten Donnerstagvormittag besuchte ich ein Hauptseminar in Englisch, Teilbereich Amerikanistik (amerikanische Literaturwissenschaft). Es geht in etwa um den demokratischen und kulturellen Aspekt von Poesie.
Schon mein drittes Englisch-LitWi-Hauptseminar. Die letzten zwei Hauptseminare hatte ich in den vorigen zwei Semestern besucht, aber nie mit einem Leistungsnachweis in Form einer Seminararbeit abgeschlossen. Naja, aller guten Dinge sind drei, nächste Chance.
Das Tolle an dem Thema dieses Hauptseminar ist, dass es neben Englisch/Literatur auch ein bisschen was von meinem anderen Hauptfach, nämlich Sozialkunde (Politologie und Soziologie) beinhaltet.
In dieser ersten – auch einführenden – Sitzung des Hauptseminars wurde mir wieder klar, warum ich von allen literarischen Hauptgattungen statt Dramen und Prosa (Romane, Kurzgeschichten und Ähnliches) Lyrik am meisten liebe.
Viele meiner Englisch-Kommilitonen finden Gedichte anstrengend, verstaubt oder können ihnen wenig abgewinnen. Wahrscheinlich sind sie einfach vorgeschädigt durch die Schulzeit, als man damals vor allem im Deutschunterricht dauernd Gedichte interpretieren musste. Meine Dozentin dieses Hauptseminars meinte jedoch im Voraus, dass wir klassisch formelle Aspekte wie rhetorische Figuren oder Metrum und Reimschema eher vernachlässigen werden zugunsten von Inhalt, Aussage und Assoziationen.
Meiner Meinung nach sind Gedichte literarische Texte, die gewissermaßen wie multimediale Kunst in quantitativ komprimierter Form wirken, also trotz ihrer relativen Kürze wahnsinnig viel zu bieten haben. Hier kann man mit Form und Sprache experimentieren, ein Wort mit dem anderen Wort verbinden und beide wiederum in den folgenden Zeilen weiterverflechten. Dadurch auch, dass Gedichte ein Stück weit privater und intimer sind, wie meine Dozentin sagte, können gerade die Leerstellen mit durchdringendem Leben gefüllt werden.
Passend zu meinem Nie-fertig-Werden im Studium und zu Gedichten habe mal einen Teil von Fausts berühmten allerersten Monolog aus Goethes Faust I umgeschrieben – in zeitgemäßem Deutsch und mit mehr studienbezogener Aktualität:
Faust sitzt in einem hochgewölbten, engen gotischen Zimmer
Auf seinem Sessel, unruhig wie immer.
FAUST:
Schaut mal, ich habe bereits so viel,
Jura und auch Medizin,
Später dann auch Theologie,
Studiert, trotz Ehrgeiz alles nicht meins.
Ich, Idiot, stehe mit leeren Händen da,
Und bin genauso schlau wie zuvor;
Egal, ob Magister oder den Doktor
Angestrebt, seit Jahren nichts zu Ende
Gebracht, eigenartige Umstände
Führten von einem zum anderen Fach,
Und selbst Kommilitonen haben mit Ach
Und Krach ihr Studium beendet, ohne
Genies geworden zu sein, nicht die Bohne.
Dabei kann ich viel mehr als die Snobs,
Bachelor, Magister und seelenlose Jobs;
Ich habe wirklich kein Mitleid mit ihnen,
Die werden doch eh nur dem Teufel dienen,
Der Kapitalismus heißt, ich selbst dennoch
Bin unglücklich, zwar klug, doch kein Arschloch,
Aber Wissen weiterzuformen könnte ich nicht,
Wie der Quantenphysiker mit Licht,
Ich habe weder viel Besitz noch Geld
Oder ehrwürdige Qualifikationen von Welt,
Was für ein Scheißleben das doch ist!
Doch umgehen kann ich das mit List.
Was mir hilft, ist ein magischer Schluck Elixier,
Das sich nennt Whiskey, Wein oder Bier.
So bekomme ich Inspiration zu mehr
Kreativität, die Kunst nicht so leer
Wie meine bisherigen studentischen Wehen.
Dann werde ich auch verstehen,
Was der Sinn des Lebens und mehr sein wird.
Dann bin nicht mehr der, der akademisch herumirrt.