Archive for the ‘seele essen angst auf’ Category

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500 Wörter – 25.10.2012

25/10/2012

Adele Bond

 

 

Was wurde nicht alles letztes Jahr über Adele Blue Adkins berichtet:

 

Adele habe mit ihren Veröffentlichungen wie ihrem Album 21 (2011) und ihren Singles „Rolling in the Deep“, „Someone Like You“ und „Set Fire to the Rain“ mehrere Charts- und Verkaufs-Rekorde gebrochen. Für eine Künstlerin bei einem Indie-Label (wenn auch bei einer etablierten und großen unabhängigen Plattenfirma) sei das mehr als sensationell.

 

Adele habe die letztjährig verstorbene Amy Winehouse als UK-White-Soul-Diva und sei doch bodenständig geblieben. Sie habe ihre damalige Neo-UK-Soul-Konkurrentin Duffy irrelevant gemacht. Auch würde sie die von Label-Politik geregelte Erfolgsschleuse für neue Nachwuchs-„Soulröhren“ weiter beeinflussen: Leslie Clio, Gin Wigmore, Miriam Bryant, und wie sie alle heißen.

 

Adele versöhne die Dudelfunk hörenden „middle-aged moms“ (Sasha-Frere-Jones), die zumeist die US-Wahlen (siehe Obama-Romney-Duell) entscheiden würden, mit der jüngeren Generation. Diese habe eine Atempause von den körperbetont und überperformativ agierenden Popsängerinnen benötigt, welche zuvor die Massenmedien übervölkerten. Stichwort: „Anti-Lady Gaga“ (Guy Adams).

 

 

Natürlich steht die Jungbritin auch beispielhaft für ein Phänomen, das vom Musik-Sachbuch-Autor Simon Reynolds als Retromania getauft wurde. Diese Retromanie bedeutet ein Rückbezug auf Elemente der Vergangenheit, welche sich seit Jahren in Revivals vor allem musikalischer Natur äußert: von Neo-Psychedelia (Bezug auf 60er) bis hin zu Neo-Eurodance (90er) ging alles.

 

Bis zu ihrem nächsten Studioalbum, das wahrscheinlich 24 heißen und höchstwahrscheinlich 2014 veröffentlicht wird, wird es noch dauern. Nun ist die bis dato 78-malige (!) Gewinnerin diverser Musikpreise ihren nächsten Karriereschritt wieder auf Pfaden solcher Vergangenheitsbewältigung gegangen. Überraschung!

 

Dass sie auch noch von einem großen Film-Franchise flankiert werden würde, der in vielerlei Hinsicht ebenso mit vergangenen Zeiten liebäugelt, war fast zu schön, um wahr zu sein. Und wurde doch Realität: Adele singt den diesjährigen Bondsong.

 

Bondsongs, also die Titelsongs zu den einzelnen Filmen der 007-Reihe, haben eine lange Tradition.  Was die frühen Bondsongs auszeichnete, war eine aufwendige Orchestrierung, musikalische Spannung, viel Pomp und Drama und ein in der jeweiligen Zeit sehr berühmter Künstler oder eine Band. Oftmals gehörte dazu eine überragende Stimme.

 

Dame Shirley Bassey („Goldfinger“) wird immer als personifizierte Bondsong-Sängerin hochgehoben, so wie auch Sean Connery beharrlich als der schauspielende Bond-Pionier verklärt wird. Liegt aber auch an deren Rekordanzahl von Einsätzen im öffentlichen Dienste Ihrer Majestät.

 

Die Bondmusik-Verantwortlichen entschieden sich nach zu vielen Durchschnitts-Bondsongs (von a-ha, Chris Cornell, Jack White und Alicia Keys) und langen Verhandlungen mit der einstigen Skandal-Amy für die verlässlichere und omnipräsente Adele.

 

 

Eine große Stimme vermischt sich mit größenwahnsinnigen Arrangements. Und die Twen Mom schafft auch sonst gerne den Spagat zwischen Alt und Neu. Der Song trägt endlich wieder den Namen des jeweiligen Films, er klingt dramatisch, düster vom Geigenhimmel, und ist doch Mainstream.

 

Aber ich bin hin- und hergerissen. Ihr „Skyfall“ ist von Produzent Paul Epworth einerseits solide produziert und seltsame Gitarren-Solos wurden diesmal dankenswerterweise weggelassen. Andererseits: jetzt, da sie scheinbar alles erreicht hat, hätte ich mir doch etwas mehr Unberechenbarkeit gewünscht. Vielleicht hätte sie mit dem ebenfalls vom Himmel gefallenen Felix Baumgartner koopieren sollen.

 

 

Aber was rede ich da? „Skyfall“ ist der beste Bondsong und die beste Nummer-1 der Deutschen Singlecharts seit langem!

 

 

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500 Wörter – 05.07.2012

05/07/2012

Endless Ocean-a

 

 

 

Als heutiges „Phänomen der Popkultur“ soll heute Oceana mit ihrem endlosen Sommer fungieren.  

 

 

Nur die wenigsten werden vor der seit Sonntag beendeten Fußball-Europameisterschaft 2012 von Oceana Mahlmann gehört haben. Die zu ein Viertel amerikanische Deutsche ist ein wahres Multitalent.

 

Man hat die Afro-Besitzerin sicherlich öfter gesehen, als es einem bisher auffiel. Für Seeed tanzte sie in deren Musikvideos zu „Music Monk“ und „Schwinger“ an vorderster Stelle, leitete die Choreografie in Fettes Brots „Bettina“-Video. Zudem hat sie bereits im Fernsehen moderiert und sogar geschauspielert.

 

Singen kann sie auch noch! 2009 kam ihr Solo-Debütalbum Love Supply heraus, aus dem die soul-poppige Single-Auskopplung „Cry Cry“ in Deutschland nur Platz 52 schaffte. Laut Wikipedia gelang ihr hingegen in Ländern wie Russland, Polen und Griechenland sogar ein Nummer-1-Hit damit.

 

 

Vielleicht war das ein Grund, warum sie als eine Art musikalische Botschafterin für die EM 2012 ausgewählt wurde. Daraufhin musste ein fröhlicher und tanzbarer englischsprachiger Song geschrieben/performt werden. Klar, dass die 30-Jährige nicht mit einem souligen Midtempo-Song daherkommen würde.  Dass sie sich aber komplett dem Mainstream-Zeitgeist – Retro-Eurodance und Bumm-Bumm-Techhouse mit Black-Music-Färbung – unterwürfen würde, ist im Nachhinein doch sehr schade.

 

Viel Oh-oh-oh-oh-oh, ein bisschen Trompete, sonst klappert es an allen Enden wie ein typischer Balkan-Techno-Song. „Endless Summer“ ist zwar nicht so schlimm wie man befürchten könnte, da gibt es viel schlechtere Sachen in den Charts derzeit, z.B. „Tacatà“. Ist dennoch sehr penetrant und schlechter als ihre früheren Stücke, welche leider etwas seicht waren, aber nicht so sehr flach.

 

Die neue Dance-Pop-Oceana konnte sich dank neuer EM-Aufmerksamkeit diesmal effektiver in die öffentliche Wahrnehmung hineingrätschen. Doch im Gegensatz zu früheren Fußballmeisterschafts-Liedern tat sich das Lied auf dem Charts-Weg bisher schwer. Höchstplatzierung: Platz 5 erst nach mehreren Wochen Hochkletterns. Der zum Überraschungs-Fußballsong und -Erfolgshit mutierte „Tage wie diesen“ von den Toten Hosen hingegen hat die Deutschen mehr begeistert. Kann man „Endless Summer“ trotz TOP5-Platzierung bereits als einen „Flop“ abschreiben?

 

 

Wer weiß noch, was z.B. der offizielle WM-Song 2010 oder was waren die letzten EM-Songs der letzten acht Jahre? Tja, das kollektive Hirn vergisst nach dem ganzen Fußball-Hype dann doch wieder sehr schnell.

 

Also zur Erfrischung: 2010 durfte Shakira mit „Waka Waka (This Time For Africa)“ die fußballverrückten Menschen einheizen. Daneben gab es inoffizielle Lieder für gewisse TV-Sender oder Marken von Leuten wie K’naan oder Helele mit Safri Duo.

 

2008 waren es sowohl Shaggy mit „Feel the Rush“ (grausam!) sowie das weniger bekannte „Can You Hear Me“ von Enrique Iglesias. Welches Lied offiziell für die EM von vor vier Jahren stand, ist mir gerade wurscht.

 

2006 engagierte die FIFA Bob Sinclar.

 

2004 durfte Anastacia herumgrölen. Gibt es die eigentlich noch?

 

Die meisten Songs gingen gleich auf Platz 1! Aber die Halbwertszeit solcher zusammengeschusterten Ballermann-affinen Lieder, egal wie erfolgreich sie sind, ist einfach sehr gering. Spätestens 2013 wird man, so prophezeie ich mal, sich auch gar nicht mehr an Oceana erinnern, sollte sie keinen erkennbaren Folge-Hit nachliefern. Es wäre jedoch eine Verschwendung von so viel offensichtlichem Talent, egal wie schlecht die anderen Songs sind! Endlosen Sommer hätten wir übrigens auch ganz gerne!

 

 

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500 Wörter – 03.05.2012

03/05/2012

Alles Clare?

 

 

Eigentlich wollte ich ja heute über Deutschland sucht den Superstar schreiben, aber… BLABLABLA. Heute geht es um den Überraschungserfolg von Alex Clare.

 

 

Alexander G. Claire wurde 1986 in London geboren. Der kleine Alex wurde als Kind/Jugendlicher von Papas Plattensammlung beeinflusst, die u.a. Jazz, Blues und Soul von Stevie Wonder und Donny Hathaway bereithielt. Später entdeckte er Drum ’n’ Bass und UK Garage, statt der Trompete auch die Gitarre. Hört man ja an seiner heutigen Musik!

 

Vor wenigen Jahren schickte er ein Demo-Band ans Plattenlabel Island, das zu Universal Music gehört. Lohn der Mühe: ein Plattenvertrag. Sehr interessant, dass er einst angeblich die kürzlich verstorbene Amy Winehouse gedatet hatte. Ein Jahr lang. Jene war ebenso bei Island/Universal unter Vertrag. Soul 2 Soul?

 

Anschließend durfte er sein Debütalbum The Lateness of the Hour (2011) von den durchaus bekannten Produzenten Diplo und Switch einspielen lassen. Beide Männer haben die Genres mixenden Powerfrauen M.I.A. und Santigold produziert.

 

2011. Das war dann nicht nur ein weiteres Jahr des Soul-Revivals um Soul-Pop-Gentlemen wie weiland Mayer Hawthorne, sondern auch das Jahr von Post-Dubstep. Also die oberflächliche Subgenre-Bezeichnung für die weiterentwickelten/elektronischeren/stromlinienförmigeren Dubstep-Klänge von britischen Producern wie Burial oder Skream. Manches wurde gar mit R&B-/Soul-Gesang (James Blake, Jamie Woon) vermengt.

 

 

Da passte Alex Clare ja gut zum aktuellen musikalischen Zeitgeschehen. Im Juli 2011 wurde sein Album sodann in den USA veröffentlicht, doch stieß es weder bei den Musikkritikern noch beim Kaufpublikum auf Gegenliebe, letzteres wohl durch ersteres bedingt.

 

Pitchfork.comAutor Ian Cohen versuchte beispielsweise, in einer Review sein Debütalbum zu vernichten und bewertete es mit lausigen 3.7 von 10 Punkten. Zu harm- und substanzlos sei The Lateness of the Hour, er singe an der oberflächlich produzierten Musik vorbei, die Liebestexte seien flach.

 

Ich hörte mir eine Single von ihm an und war auch nicht so begeistert. Da sein Album niemanden überzeugte, wurde er anschließend von seiner Plattenfirma wieder fallengelassen. Da dachte ich mir: du mit deinem blonden Vollbart, der Schiebermütze und dem tollen Lächeln hast zwar das gewisse Etwas, aber die Musik? NEXT!

 

 

Ich hörte nichts mehr von ihm, bis ich eines Frühlingtages 2012 im Fernsehen eine inhaltlich mäßig überzeugende Werbung zum Internet Explorer sah. Gut, der Liebestext passte nur halbwegs zum Browser, dafür aber die futuristische R&B-Musik der off-stimmenlosen Reklame zum Gesamteindruck. Passabel. Mainstream sagt ja zu Dubstep-Soul! Und es war laut Song-Detektor Shazam tatsächlich Alex Clare mit „Too Close“. Doch nicht sooo schlecht!

 

Ein paar Wochen später konnte ich nicht glauben, dass das Werbefilmchen ähnlich einflussreich war wie z.B. die Vodafone-Clips mit Empire of the Suns „We Are the People“ ehemals. Auf dem (eigentlich beschissenen) Radiosender Radio Gong lief dann – angeblich exklusiv – „Too Close“. Arbeitskollegin M-Eike und der Mainstream sagen ja zu Dubstep-Soul!

 

Und dann der Schock: Clares „Too Close“ stieg in den Deutschen Single Charts erst auf Platz 3, dann letzten Freitag auf Platz 1. Vor Neo-Urban-Eurodance, Kuhstall-Rock, Latino-Pop-Schlager und Cro. Und sein Album, das dem von Katy B musikalisch ähnelt, gelangte zur gleichen Zeit in die TOP30 der Deutschen Albumcharts. Ist Dubstep nun angekommen im Mainstream?

 

 

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Tagversüßer Vol. 12

26/01/2011

Cold War Kids - Louder Than Ever

Cold War Kids mit „Louder Than Ever“.

Ja, die Kinder des Kalten Krieges sind seit letztem Freitag mit neuem Album zurück, nämlich mit Mine Is Yours (2011), dem dritten Album der Kalifornier. Und erst seit diesem Jahr wird mir bewusst, wie heftig diese Alternative-Soul-Rock-Band polarisiert. Es gibt nur wenige Menschen oder PlattenkritikerInnen (haha, als ob KritikerInnen ja keine Menschen seien, haha!), welche das amerikanische Quartett weder klasse noch kacke finden. Wobei: es gibt schon nicht wenige Menschen, denen CWK egal sind. Es existieren jedoch mindestens genauso viele Hasser der Musik dieser Band. Hingegen scheint es nur wenige Menschen wie meine Wenigkeit zu geben, die die Kids wirklich toll finden.

Ich muss hier allerdings gestehen, dass die Sympathien für Cold War Kids etwas gesunken sind, seitdem sie letztes Jahr die EP Behave Yourself (2010) veröffentlicht haben. Die Songs darauf waren gut und okay, aber nicht mehr ausnahmslos grandios. Und die Vorabsingle „Louder Than Ever“ macht weniger laut von sich aufmerksam, als der Titel dies vermuten lassen würde. Poppiger und polierter ist ihr Sound geworden, doch haben sie gleichzeitig viel von ihrer charmanten Schepperigkeit verloren, wegen der ich die Cold War Kids früher fälschlicherweise für eine Indie-Gruppe mit Soul-Einschlag gehalten hatte. Gerade die Mischung Soul+Blues+Lo-Fi+Rock machte sie damals (fast) einzigartig. Nun wollen sie aber so sein wie die in den USA erfolgreichen Kollegen von The Black Keys (auch ehemals schepperig und wild klingend). Ihr eigenes Ergebnis reicht nicht für einen weiteren Klassiker wie die früheren Singles „We Used to Vacation“ oder „Hang Me Up to Dry“.

Ich weiß eigentlich auch nicht so recht, warum ich gerade dieses Video zum Tagversüßer erkoren habe. Denn das vom Regisseur Vern Moen gedrehte Musikvideo ist zwar ganz stylisch, sieht aus wie ein Kinofilm-Trailer und ist von sehr hochauflösender Qualität. Doch z.B. der super Sänger und eigentliche Schnuckel Nathan Willett sieht mit neuerdings schulterlangen zurückgegelten Haaren etwas schmierig aus. Und die Handlung dieses Kurzfilmes kann nur wenig an der schicken minimaltragischen Oberfläche kratzen. Denn Kritik am Modelbusiness und am wild grassierenden Schönheitswahn ist nichts wirklich bahnbrechend Neues mehr. Das Ende ist auch eher unbefriedigend. Wie gut, dass ich beim Kauf des neuen Albums trotz günstigen Preises gestern zunächst gezögert habe…