Was’n nur los mit 2011? Viele Album-Releases zwar, aber auch viele Bands und Künstler, die dieses Jahr nicht gänzlich überzeugt haben. Vor allem große Namen wie Radiohead oder TV on the Radio konnten nicht das einlösen, was schon durch ihren Ruf garantiert gewesen wäre. Nämlich konzeptuelle Konsistenz über gerade einmal acht Songs oder Tracks lang wie bei Radioheads achtem Studioalbum The King of Limbs. Zu viel Hype um die Vermarktung abbekommen? Oder eine gewisse Dringlichkeit, die TV on the Radio etwas abhandengekommen ist mit ihrem fünften Album Nine Types of Light. Doch allen Kritikerlieblingen, auch Lykke Li, oder zum Teil Gorillaz ist gemein, dass sie zwar auf hohem Niveau ernüchtern, dennoch irgendwie gut bleiben.
Kontrastieren kann man das mit meinen ehemaligen Lieblingsbands/-künstlern, welche aber nun gravierend statt nur marginal enttäuschen. The Wombats zum Beispiel. Oder Cold War Kids. Oder Lupe Fiasco. Allen drei gemein ist die Überproduktion ihrer aktuellen Alben. Schändlich.
Irgendwo zwischen verschmerzbarer Teilerfüllung und herber Enttäuschung befindet sich Lady Gaga. Das am meisten angekündigte Pop-Album dieses Jahres, Born This Way, hat schon vor dem offiziellen Releasetermin (23. Mai) drei Singleauskopplungen zu Tage gefördert, die von „wirklich unterhaltsam“ bis hin zu „enttäuschend schlecht“ auseinanderdriften.
Fange mal mit dem Mittelkind „Judas“ an, der zweiten Single über verbotene Liebe, das weder gut noch schlecht geworden ist. Stellt euch „Bad Romance“ in technoid und zickig und weniger hymnenhaft vor. Und das eine Menge Schlagzeilen geförderte Musikvideo dazu pinkelt schon auf meine hohen Erwartungen, weil es gut, aber nicht so grandios wie „Born This Way“. Dieses überzeugt nicht nur visuell mit der Übermenschlichkeit Gagas, sondern liefert auch nahrhaften Elektro-Disco-Pop. Und, ja, da waren auch die gewichtige Toleranz-Message und Minderheiten-Politik und die Kontroverse um angebliche Inspiration durch Madonna oder TLC.
Viel mieser als die beiden Singles ist nun die neueste: „The Edge of Glory“. Dies ist der erste veröffentlichte Song von ihr, der richtig nervt. Käsigkeit schaffen schon mal die sumpfigen Trance-Sounds, die sich mit dämlichem Pop-Rock abwechseln. Als ob Gaga Kelly Clarksons „My Life Would Suck Without You“ schlecht covert.
Der Autor Harald Peters aus der aktuellen Musikexpress-Ausgabe Juni 2011 ahnt ein böses Omen durch die Vorabsingles. Er fürchte sich im Artikel „Von einer enttäuschten Liebe“ über den Release von Born This Way, weil Frau Germanotta all den entstandenen Gaga-Hype um sich zu ernst nahm wie manche Popgrößen vor ihr und dank dieses Hypes nur enttäuschen könne: „Lady Gaga ist sozusagen die Fortsetzung von Michael Jackson, Marilyn Manson und Madonna mit anderen Mitteln. Sie hat den unbedingten Willen zum Erfolg, den Mut zur Hässlichkeit, ein Händchen für Provokation. Sie hat ungebremstes Mitteilungsbedürfnis und eine Meinung zu allen möglichen Dingen. Sie hat in den vergangenen Monaten so oft hören dürfen, wie ungemein relevant sie als Künstlerin sei, dass sie auf die unkluge Idee kam, ihre Meinung in ihrem künstlerischen Werk aufgehen zu lassen, worunter jetzt die Musik, die Botschaft und damit auch die Hörer leiden.“
Wie wahr. Allerdings sollte man nicht allzu schwarzsehen, doch ein Leben ohne eine überzeugende Lady Gaga würde schon sucken.