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500 Wörter – 16.05.2012

16/05/2012

Greller Punkt / Ein Hoffnender

 

 

 

Greller Punkt

 

Wenn du zu lange nach oben siehst,

Nimmst du ungewollt jenes Licht

Mit, das im Orange-Rot heraussticht:

Ein großer, weißer, greller Punkt.

 

Und du schließt und öffnest, schließt,

Doch auch selbst beim Wiederöffnen

Vergeht der Punkt nicht sofortig,

Er verfolgt dich selbst im Dunkeln.

 

Nichts, was ihn aufhält, kann er sich

Doch sogar selbst duplizieren,

Verschieben löscht ihn auch nicht aus.

Spät geht er unter, in Ruhe.

 

 

© 16/05/2012 by SR/Sray

 

 

 

Ein Hoffender

 

 

Zeit, das ist die lange Treppe

Mit den vielen kurzen Stufen,

Die sich weit und breit erstrecke,

Wär sie nur gebaut für Träumer.

 

Doch ist sie ein steiler Steinbau,

Dreieckig mit einer Seite

Voller rechtwinkliger Quader,

Aneinander stur gereihte.

 

 

Oben, dort beginnst du selig,

Hier ganz oben sonnbeschienen,

Über dir der klare Himmel,

Wähnst du dich im Paradiso.

 

Stehst du nun an allem Anfang,

Die Erwartungen mehr niedrig,

Wunderst, ohne dass du weißt,

Warum andere hier warten.

 

Denn weshalb sie und er warten,

Angesehen von aller Augen,

Begreifst du doch wirklich nicht,

Nichts, was du dagegen tun kannst.

 

Wenn du merkst, dass nichts zurückkommt,

Fängst du einfach an zu schreien,

Laut und schrill die Stimme deiner

Bänder des wortlosen Halses.

 
Nun spürst du eine fremde Hand,

Die deine Schulter kurz erwärmt,

Gibt sie dir flugs einen Ruck und

Rollt mit dir dein ganzer Körper.

 

Du bewegst dich, schnell und schneller,

Wegbewegt von jener Plattform,

Von der du herunterfällst und

Ganz kurz schwebst, ein Augenblick nur.

 

Fest prallst du auf eine Fläche,

Harter Stein hält dich kurz auf, doch

Die Geschwindigkeit verlangsamt dich

Keineswegs, denn du rollst und fällst.

 

Du bewegst dich, schnell und schneller,

Und merkst, wie es nach unten geht,

Schwerkraft ist eine ungnädige

Frau in dieser steinernen Welt.

 

 

Du bewegst dich, schnell und schneller,

Nichts, was du noch machen könntest,

Hast die Hoffnung auf ein Halten,

Doch die Pein bezwingt dich bereits.

 

Atmen fällt dir ungemein schwer,

Schultern, Rücken, Hüften, Schenkel,

Längst verwundet und verprellt, bloß

Unversehrt dein wertvolles Haupt.

 

Du bewegst dich, schnell und schneller,

Windest dich, wirbelst, als spulte

Einer einen Faden auf und

Dieser ist für keinen sichtbar.

 

Niemand, der dir helfen könnte,

Nein, auf keinen der Stufen hier,

Keiner, der dich rettend auffängt

Oder dein Gefälle abbremst.

 

 

Allein bist du auf dich gestellt,

Sinnlos ist die rollende Qual,

Die die meisten Sinne betäubt,

Außer den Tastsinn all abstumpft.

 

Der Moment im Bilde vergeht,

Geht über in das nächste Bild,

So rasant, dass du nicht verstehst,

Die Momente so spärlich wahrnimmst.

 

Nichts bleibt bestehen und auch nicht

Das, was du siehst, denn schnell schwindet

Die verzerrte Sicht, der Schwindel

Macht dich buchstäblich zum Blinden.

 

Hörst du nur dich und sonst nichts,

Die Geräusche des Sturzes nur,

Den Kontakt deiner mit dem Stein,

Den Wind der unschuldigen Eil?

 

 

Doch wann endet dieses Spiel nur?

Irgendwann musst du aufprallen,

Landen auf dem Grund allen Seins,

Wo nichts mehr rollt, poltert und fällt.

 

Was wird danach nur geschehen?

Aufstehen, wieder aufsteigen,

Die Treppe andersrum nutzen,

Gar zum Anfang zurückdrehen?

 

 

© 16/05/2012 by SR/Sray

 

 

h1

500 Wörter – 26.01.2012

26/01/2012

Zornissen

Heutige Todsünde: Zorn. Gegenspieler: Geduld.

 

Zornissenstiche

Wenn du als Kind von deinem Vater
Zum Fußballspielen mit anderen
Kindern geschickt wirst, obwohl
Du die Spielregeln gar nicht kennst.

Wenn deine Mutter dich vom damals noch
Geliebten Schulalltag entreißt, nur weil
Sie nicht bis zu deinen Ferien warten
Kann, mit dir in den Urlaub zu fahren.

Wenn du nicht begreifst, warum du
Keine Unterstützung erhältst beim
Erlernen des Schwimmens, und du dies erst
Nach der Seepferdchen-Prüfung kannst.

Wenn du als Viertklässler
Von Jungs aus der
Parallelklasse grundlos
Als „Chineeeeeese“ gehänselt wirst.

Wenn sich deine so oft
Streitenden Eltern scheiden lassen,
Aber du lange Zeit nicht erfährst
Aus welchem Grund sie dies taten.

Wenn du mit zehn Jahren unsittlich
Von einem Klassenkameraden
Berührt wirst, obgleich du noch keine
Ahnung hast, was er da mit dir anstellt.

Wenn du dich wie das einsamste Kind
Auf der Welt fühlst, weil du keine
Geschwister hast oder Menschen,
Mit denen du über solche Dinge reden kannst.

Wenn du begreifst, dass deine Sexualität
Von der der anderen doch abweicht, womöglich
Kein Gespräch möglich ist, sonst wohl niemand so
Empfindet, du dich dabei noch einsamer fühlst.

Wenn du auf dem Gymnasium wie die anderen
Sein willst, nicht kapierst, warum alle anderen
Über sich hinauswachsen, nur du so
Kleinwüchsig bleibst, nicht treibst.

Wenn du im Sportunterricht immer
Als letzter, vorletzter oder vorvorletzter
In ein Team gewählt wirst, da du sportlich
Scheinbar eine komplette Niete bist.

Wenn du dich fragst, warum deine Eltern
Dich eigentlich nie sportlich oder musikalisch
Gefördert hatten, außer an dem traumatischen
Einen Mal damals auf dem Fußballplatz (s.o.).

Wenn du dich ausnutzen lässt, sei es finanziell
Oder materiell oder zwischenmenschlich,
Nur weil du dir selber erhoffst,
Ein Quäntchen Zuneigung zu erfahren.

Wenn alle Menschen um dich herum
Bereits ihr privates Glück gefunden haben,
Du selber jedoch immer mit
Leeren Händen zurückgelassen wirst.

Wenn du unbeabsichtigt Kuppler zweier
Menschen geworden bist, und diese
Zu einem Paar geworden sind, dieses
Sich jedoch niemals bei dir bedankt hat.

Wenn du merkst, dass dein
Hab und Gut, das du eigentlich
In einem Uni-Spind eingeschlossen hattest,
Durch Aufbrechen des Schlosses entwendet wurde.

Wenn ein Ex-Finanzmensch sich herausnimmt,
Ein Unsachbuch über die mangelnde Integrations-
Bereitschaft von Migranten zu schreiben, damit Erfolg hat,
Schauen dich Fremdpassanten nun mit urteilenden Augen an.

Wenn ein hoffnungsvolles Date
Sich beim Treffen auf einer Party
Als uninteressiert heraustellt und öffentlich
Mit jemand anderem herumknutscht.

Wenn ein anderes Date erst beim Chatten
Honig um den Maul schmiert, auf einer Party
Dann denselben Fehler wie oben begeht,
Mit einem eher feindlich gesinnten Intrigolo.

Und wenn du geduldig alles ertragen hast,
Merkst, dass du dich nie gewehrt oder gerächt hast,
Dann richtet sich die unterdrückte aufgeschäumte Wut
Plötzlich gegen dich.

Zornissen stechen und pissen
Dir gerne so oft in die Haut,
Bis die gepiesackten Löcher unlautes Blut herauskotzen.
Und du vergiftest dich. Aus Wut und Unmut

Und größerem Hass auf andere Menschen
Wird Selbsthass, und größerer Selbsthass,
Selbsthassgefühle, Hass auf dich, nur auf dich,
Und ich hasse mich, mich, nur mich.

h1

500 Wörter – 19.08.2011

19/08/2011

Anti-Sommer 2011

Wir erleben zurzeit endlich einmal wieder mehr Sonnentage, zuvor konnte man in den vorigen Wochen vor lauter Schauern und Gewittern förmlich nur noch brechen. Klar, der Sommer 2011 wird wieder mehr seinem Namen gerecht. Ich habe an einen der letzten Sonnen-Augenblicke im letzten Monat gar ein Gedicht über den Zauber solcher wärmenden Wetterspiele geschrieben:

Gelbe Zeiten

An sommerlichen Tagen wie diesen,
Wenn durch ihre Macht
Die überragende Sonne
Mit ihren warmen Armen und Händen
Alles durchdringen will,
Spielen alle Farben verrückt.

So glühen die Weingläser
Des Stadtcafés wie
Königliche Goldkelche,
Wie durch Safran färbt sich
Das Häufchen Weiß der Sahne
In Zabaione und Senf.
Vanilleeis und Zitronensorbet
Wird von lauter
Blondierten Menschen
Mit Frohsinn verzehrt.

Aufgeschlagene Bücher
Schimmern wie Maisfelder,
Und Birnenblätter werden
Belebt mit Zitrin und Chartreuse.
Die kleinen Tümpel am Fuße
Des Brunnens, die durch
Wasserverliebte Kinder
Außen herum entstehen,
Gleichen einem Bernsteinteich.

Es scheint, als verkaufe man
Auf dem Markt nur noch
Narzissen und Butterblumen,
Und Kalifornischen Mohn,
Und auf den Straßen bloß
Taxen und US-Schulbusse.

Dieses tausendfache Farbenspiel
Sollte mich eigentlich so
Sehr erfreuen, verzaubern,
Doch ich bin in Missstimmung:
Mein vergilbter Körper
Schwitzt sichtbar,
Jedoch transparent,
Aus allen Poren.

[SR (c) 2011]

Naja, das Schwitzen finde ich eigentlich nicht so schlimm, gehört halt dazu zu einem richtigen Sommer.

Der Sommer heuer jedoch gehört zu diesen Anti-Sommern, die wir Deutschen nicht gewohnt sind. Rudi Carrell sang einst „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“. Irgendwann Ende der 90er-Jahre ähnelte der Sommer einmal eher dem Herbst, auch während der Nullerjahre kamen an zweien die stark regnerischen Sommermonate nicht gut bei uns an.

Vor Regen ist man in einen der Waggons der Deutschen Bahn durchaus geschützt. Doch vor technischen Problemen bei extremen Temperaturen war man lange Zeit nicht gefeit. Letzten Winter fielen laut Schlagzeilen erstaunlich oft die Zug-Klimaanlagen aus. Im vorigen Sommer war das nicht viel anders, nur litt man statt schlimmen Erfrierungen 2010 unter Bewusstlosigkeit oder Schlimmeren wegen Überhitzung. Hatte mich diese Saison schon aufs Bahn-Bashing wegen neuer Klimatechnik-Ausfällen gefreut (aber natürlich nicht auf Kosten der denen ausgesetzten Bahnpassagiere). Doch anscheinend hat die Bahn dazugelernt, ihre Züge verbessert, sie macht nur noch mit „Stuttgart 21“ negativ von sich reden.

Ich fahre selten Zug.

Andererseits sind Mitteleuropäer auch solche Pussies. Zu kalt, jetzt zu heiß! Wir Deutsche jammern zu gerne, nörgeln darüber, dass der Winter zu hart und zu eisig ist. Wir lassen uns aber, sobald man sich kaum noch über frostige Temperaturen ärgern kann, dann wieder über Über-Wärme aus. Nie sind Deutsche zufrieden! An den wenigen 30-Grad-Plus-Tagen kotzen sich oft Freunde und Bekannte bei mir aus. Ich sage dann: seid doch froh, dass es hier nicht mehr scheißkalt und winterlich zugeht. Verreist doch sonst einfach!

Klar, das Wetter ist dem Klimawandel geschuldet. Dennoch: ich bin ein Sommerkind, ich hasse nur den Winter. Ich bin Anfang September geboren, meine Eltern kommen ursprünglich aus einem tropischen Land. Vielleicht ertrage ich warme bis heiße Temperaturen dadurch besser als andere. Doch ich lasse mir meine wenigen Sommermomente nicht vermiesen, nicht von Nörglern, nicht von Regenschauern.

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500 Wörter – 04.06.2011

04/06/2011

500 Wörter

Ich habe hier für heute vier bisher unveröffentlichte (oder teilweise auf Facebook gepostete) Gedichte. Sie sind höchst unterschiedlich, da sich manche reimen, andere wiederum nicht. Eines ist auf Englisch, die anderen auf Deutsch. Eines ist nicht sehr ernst, die anderen sind poetischer.

 

Gute Besserung

Jetzt, da ich langsam wieder gesund werde,
Aber du leider die andere Richtung nimmst,
Erscheint mir das Leben
Mit seinen Freundschaften
Und seinen Krankheiten
Wie ein Staffellauf.
Und schon bald werde ich
Mich wieder mit
Den anderen abwechseln
Und Tauschgeschäfte führen
Mit den schönen und
Schwach machenden
Phasen meiner Freunde.

[ © 2011 by SR]

Dieses Gedicht schrieb ich vor ein paar Monaten spontan für Minourieuse, weil ich Mitleid mit dem damaligen körperlichen Zustand hatte. Nur ist sie jetzt schon wieder nicht gesund. Den zu erreichenden Zustand wünsche ich wieder einmal!

 

Unschlaf

Ich liege und ich denke
Viel zu wach, oh, ich lenke
Mich selbst zu sehr ab,
Tauch‘ unter nicht tief hinab.

Ich wälze hin und auch her,
Kann mich nicht setzen zur Wehr,
Kaum gegen das, was mich hält
An der Oberfläche der Welt.

Ich leugne nicht die Schlücke
Mokka, die Tassenglücke
Mir schon bereiteten,
Heute Augen weiteten.

Gedanken, Unrast, Reue:
Gebt dem Schlaf doch die Treue.

[ © 2011 by SR]

Dieses Gedicht habe ich tatsächlich während einer schlaflosen Nacht geschrieben. Mit dem Handy habe ich die Zeilen vom Bett aus getippt, so als würde ich eine Textnachricht schreiben.

 

A Stone

If I was a small simple stone,
I think, I, myself, would have shaped
Not out of a ragged human bone,
No matter indented and scraped.

I would have shaped out of nice dreams,
A skeleton of some corals,
Red, polished by the deep sea streams,
Mediterranean quarrels.

Of metamorphosed marble breasts
Or sedimented limestone grains
Would I have forged what Earth suggests,
Not out of matte mortal remains.

But I am not a sculptor, sadly
Sculptor’s base substance ungladly.

[ © 2011 by SR]

Für dieses dritte Gedicht habe ich sehr lange gebraucht. Es ist ein Sinnbild dafür, wie Menschen daran verzweifeln, sich nicht aus einer gewissen gefühlten Durchschnittlichkeit des Lebens befreien zu können.

 

A.D.E. und Tschüss, 2010

Auch genannt:
Dreißigster Dezember, Null / Zehn.
Dreißig plus vier Jahre
Alt wird mein Cousinchen.

An diesem Tag,
Da schneit es zwar nicht,
Doch liegt viel Weißes
Auf horizontaler Ebene.

Außergewöhnlich,
Dass ich wieder im Omnibus nach Würzburg sitze,
Das ist es zwar nicht,
Aber heute muss ich einmal nicht in die Uni.

Ach, wisst ihr, ich muss heute nur
Den zur Reparatur
Dort gegebenen Laptop von mir
Abholen, im Media Markt.

Eklig ist der Geruch des
Einen Jugendlichen vor mir sitzend:
Er trägt das allzu gut von mir gekannte Deo von AXE,
Es heißt “Alaska”, dorthin wünsche ich ihn mir auch.

Eigentlich weiß ich es immer noch nicht,
Einfach ist es nämlich nicht zu
Entscheiden, wohin mit mir morgen zu Silvester,
Eingeladen wurde ich von zu vielen Freunden, ojemine!

[ © 2010 by SR]

Man beachte die Anfangsbuchstaben der ersten Worte! 😉

h1

500 Wörter – 02.06.2011

02/06/2011
500 Wörter

demeter-Gurken aus dem tegut: 100% biologisch!

 

Als Salatgurke

 

Unter all meinen Verwandten
Und Stammesmitgliedern
Mit raubehaarten Ranken
Und eingeschlechtigen Blüten
Hatte ich als krautige Pflanze
Unter vielen noch nie den besten Ruf.

Während an Familie Melone
Exotik und Süße
Geschätzt wird,
Darf die Kürbissippe
Nicht nur als Kürbissuppe
Oder Schreckgesicht glänzen.

Ich hingegen wurde schon
Zeit meines Lebens
Immer gehänselt.
Nicht fair.

 

Ja, ich sehe phallisch aus:
Sehr lang,
Leicht gekrümmt
Und dürr.
Nicht so abgemagert wie Rhabarber,
Auch nicht so vollschlank wie Aubergine.

An mir ist höchstens
Meine Haut etwas bitter.
Man kann sie zumindest mitessen,
Wobei auch alles andere
Ungekocht zu verzehren ist.
Gewissermaßen vielseitig
Bin ich durchaus,
Z.B. als Rohkost.

Als Dessert-Bestandteil
Eigne ich mich
Jedoch nicht gut.
Höchstens diene ich,
Was Süßes angeht,
Als Rührstab und Dekoration
Mancher Drinks,
Cocktails – oh Verzeihung,
Diese deutschen wie englischen
Penisassoziationen
Waren keineswegs beabsichtigt.

 

Für eine internationale Vorspeise
Vertauscht man gerne meinen
Vor- und Nachnamen:
Gurkensalat.
Ich als Scheiben
In Joghurt.

Ähnlich funktioniere
Ich in etwas deftigerer Form.
Den Griechen diene ich
Als Tsatsiki.

Noble Briten lieben mich
Eigentlich auch sehr.
Sie kürten mich einst,
Durch Verpartnerung mit Weißbrot,
Zur Beilage Nr.1,
wenn es Zeit war
Für den 5’o‘ clock tea:
Cucumber sandwich.

In Berlin schmort man mich,
In Indien,
Woher ich einst stammte,
Verkleinern die Menschen
Mich zu
Currys oder Chutneys.

 

Aufgrund meines Aussehens
Wurde nicht nur
Mein Nachname
Oft als Geschlechtsteil
Missbraucht,
Auch ich selber wurde es.
Eine Runde Mitleid.

Lustig nur,
Dass mir trotz meiner
Physiognomie –
Man nennt mich auch Schlangengurke –
Keinerlei
Innerliche Verführungskünste
Nachgesagt werden.

Danke, Isabell Allende!
Dir gilt Ehre,
Dass laut deinem Buch
„Aphrodite“
Alle anderen
Lebensmittel
Aphrodisierende
Inhaltsstoffe haben,
Dass du mich jedoch
Als Ausnahme
Bloßstellst.

Mir ist klar, dass ich
Die Erregung
Keiner Frau und keines Mannes
In irgendeiner Weise
Verstärke,
Auch tun das Spritzgurke,
Explodiergurke oder
Horngurke, aka Kiwano, nicht:
Meine obszön klingenden Verwandten.

Es ist auch allbekannt,
Dass mein
Fruchtiges beeriges Innere
eher neutral schmeckt,
Wässrig nämlich, was ich auch bin.

Zumindest werden mir
Seriöse innere Werte
Nachgesagt:
Ich sei kalorienarm,
Helfe bei Beschwerden
Von Blase und Prostata,
Trage die Vitamine ABC
Und mehrere Mineralstoffe in mir.

 

Soviel zur Ausgangsposition.
Seit kurzem bin ich
In Verruf gekommen, da ich
Mit EHEC-Erregern
In Verbindung gekommen sei.

Zusammen mit den
Blattsalaten und Tomaten
Werde ich angeklagt,
Menschen durch den Verzehr
Von uns zu schädigen.
Wir seien die einzige
Infektionsquelle von
Eschericha-coli-Bakterien,
Stuhlerkrankungen beförderlich.

Doch nichts ist klar,
Von was die Gefahr ausgeht.
Hauptsache
Panik und Warnungen
Im Nebel der Ungewissheit.
Angst schüren ohne Plan,
So schnell wie möglich
Ein Feindbild finden.
Die Medien und Politiker
Sind durchgefallen.

Zum Glück wird nicht mehr
Hexenjagd
Auf meinen Klon
Aus dem wütenden Spanien
Gemacht,
Zumindest weiß nun
Jeder Deutsche,
Dass ich sexy sein kann,
Auch gedeihe im
Land der Heißblütigen.
Doch Buh-Pflanzen bleiben wir weiterhin.

Auch wir haben Gefühle!
Schon L. Ron Hubbard
Wollte in den 60er-Jahren
Leidgenossin Tomate
Sadistisches antun,
Indem er sie
Schreien und weinen
Hören wollte, sobald er sie aufschnitt.

 
[ © June 2011 by SR ]

h1

500 Wörter – 11.05.2011

11/05/2011

500 Wörter

Mittwoch. Sonniger Tag, fast leere Hubland-Caféteria, unerwartet unstickig. Ich wäre aufgrund der heute ausfallenden Mittwoch-Kurse – Grund ist das Stiftungsfest der Uni Würzburg, zu dem alle Uni-Mitarbeiter eingeladen sind – heute daheimgeblieben, hätte ich nicht etwas für das Englisch-Gedichte-Hauptseminar (siehe 05.05.2011) Sachen zu lesen.

Bin auch deswegen in der Uni, weil ich gestern bei Female Dennis übernachtet habe. Lieb von ihr und ihren drei Mitbewohnern war, mir das anzubieten. Allerdings war sie gestern Abend auf einem Konzert außerhalb Würzburgs, dadurch selber nicht anwesend: die einzige, die ich als ihr Kommilitone richtig gut kenne von der Vierertruppe. Ihre WG befindet sich praktischerweise unweit vom Hubland-Campus. Habe dort gepennt, weil die beschränkten Würzburg-Wertheim-Transportwege wieder Probleme machten. Abfahrt des letzten Busses zu meinen Eltern: 18:15. Mein letzter Dienstag-Kurs: 18:15-19:45. Hätte so nicht heimkommen können.

Habe für dieses Semester das „Creative Writing Seminar“ belegt, das eben zeitlich recht spät angesiedelt ist im Stundenplan. Diese wissenschaftliche Übung findet alle zwei Wochen statt, selten ist für Uni-Kurse. Ich hatte zunächst eine Gruppe aus lauter verkopften Literaturwissenschafts-Cracks erwartet, doch waren es tatsächlich sieben normale Englisch-Studis mit Schreibtalent, nur ein weiterer Kerl ist drin. Eine bloß von ihnen hatte schon sehr viele journalistische Jobs erledigt, ansonsten sind die anderen Studenten vom ersten bis zum achten Semester (u.a. ich) alle nicht übermäßig von sich überzeugt, eher unaffektiert und begierig, neue Eindrücke und Anstöße zu gewinnen für ihre Kurzgeschichten, Gedichte und, ähm, Fan-Fictions (tatsächlich bei einer Kommilitonin der Fall!).

Der Dozent ist ein Neuling in Würzburg, eher nachdenklichen Gemüts, aber umgänglich. Erklärte uns, dass dieses Seminar keines ist, um Anleitungen zum Kreativ-Schreiben zu erhalten. Vielmehr soll es als Plattform für Diskussionen über einen vorgestellten und vorgelesenen kurzen Text eines jeweiligen Kursteilnehmers dienen. Highlights sind die Veröffentlichung und Lesung der besprochenen Werke später. Was ich nicht wusste: die Kreativ-Texte konnten auch auf Deutsch sein, nicht nur auf Englisch. Hätte ich mir eigentlich denken können, denn der Kurs an sich wird ebenso auf Deutsch abgehalten.

So wurden dann für jene Sitzung die zwei kürzesten Texte aus allen, die wir ihm zur Kursanmeldung damals zuschickten, ausgesucht. Kopien für das Kolloquium. Ich ahnte Schlimmes. Der eine Text war eine sehr eindringliche Kürzestgeschichte namens „Rockets and Missiles“ einer Kommilitonin, die aufgrund des Realismus durch die teilweise sehr abgehackten Sätze beeindruckte. Der zweite war in der Tat meines: mein englischsprachiges Gedicht „Archeological Remains“ (archäologische Überbleibsel).

War mir etwas unangenehm, dass ich mit dem Gedicht unerwartet so im Mittelpunkt stand. Die verbale Auseinandersetzung damit seitens der anderen war anfangs sehr zaghaft, dann etwas reichhaltiger. Diese Stille. Ich nahm an, dass sie von der teilweise sehr gehobenen Sprache irritiert waren, auch inhaltlich war es „schwere Kost“. Der Grund war, dass ich das Gedicht extra für dieses Kurs geschrieben hatte, mit möglichst vielen schönen, poetisch klingenden, schwierigen Wörtern experimentiert hatte, um nicht als banal dichtender Schreiberling dazustehen. Den Klang und die Mehrdeutigkeit der Aussagen haben die anderen aber durchaus gelobt. Einzig ein paar grammatische Fehler hatten sich eingeschlichen, aber ich bin ja auch kein perfekt sprechender Englisch-Muttersprachler. Kam aber insgesamt gut an.

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Rücksitz-Rücksicht

19/03/2011

 

Rücksitz-Rücksicht

Flirrende Alleen entlassen
Teilweise das Tageslicht, bloß
Helle Spalten, schmal in Massen,
Wechseln ab mit Stämmen: breit, groß.

Hoch und dunkel, massiv also
Stehen diese dort und spenden
Matten Schatten, finstern en gros
Den Asphalt: wo soll das enden?

 

[ (c) 2011 by SR / Sray (pictures and text) ]