Greller Punkt
Wenn du zu lange nach oben siehst,
Nimmst du ungewollt jenes Licht
Mit, das im Orange-Rot heraussticht:
Ein großer, weißer, greller Punkt.
Und du schließt und öffnest, schließt,
Doch auch selbst beim Wiederöffnen
Vergeht der Punkt nicht sofortig,
Er verfolgt dich selbst im Dunkeln.
Nichts, was ihn aufhält, kann er sich
Doch sogar selbst duplizieren,
Verschieben löscht ihn auch nicht aus.
Spät geht er unter, in Ruhe.
© 16/05/2012 by SR/Sray
Ein Hoffender
Zeit, das ist die lange Treppe
Mit den vielen kurzen Stufen,
Die sich weit und breit erstrecke,
Wär sie nur gebaut für Träumer.
Doch ist sie ein steiler Steinbau,
Dreieckig mit einer Seite
Voller rechtwinkliger Quader,
Aneinander stur gereihte.
Oben, dort beginnst du selig,
Hier ganz oben sonnbeschienen,
Über dir der klare Himmel,
Wähnst du dich im Paradiso.
Stehst du nun an allem Anfang,
Die Erwartungen mehr niedrig,
Wunderst, ohne dass du weißt,
Warum andere hier warten.
Denn weshalb sie und er warten,
Angesehen von aller Augen,
Begreifst du doch wirklich nicht,
Nichts, was du dagegen tun kannst.
Wenn du merkst, dass nichts zurückkommt,
Fängst du einfach an zu schreien,
Laut und schrill die Stimme deiner
Bänder des wortlosen Halses.
Nun spürst du eine fremde Hand,
Die deine Schulter kurz erwärmt,
Gibt sie dir flugs einen Ruck und
Rollt mit dir dein ganzer Körper.
Du bewegst dich, schnell und schneller,
Wegbewegt von jener Plattform,
Von der du herunterfällst und
Ganz kurz schwebst, ein Augenblick nur.
Fest prallst du auf eine Fläche,
Harter Stein hält dich kurz auf, doch
Die Geschwindigkeit verlangsamt dich
Keineswegs, denn du rollst und fällst.
Du bewegst dich, schnell und schneller,
Und merkst, wie es nach unten geht,
Schwerkraft ist eine ungnädige
Frau in dieser steinernen Welt.
Du bewegst dich, schnell und schneller,
Nichts, was du noch machen könntest,
Hast die Hoffnung auf ein Halten,
Doch die Pein bezwingt dich bereits.
Atmen fällt dir ungemein schwer,
Schultern, Rücken, Hüften, Schenkel,
Längst verwundet und verprellt, bloß
Unversehrt dein wertvolles Haupt.
Du bewegst dich, schnell und schneller,
Windest dich, wirbelst, als spulte
Einer einen Faden auf und
Dieser ist für keinen sichtbar.
Niemand, der dir helfen könnte,
Nein, auf keinen der Stufen hier,
Keiner, der dich rettend auffängt
Oder dein Gefälle abbremst.
Allein bist du auf dich gestellt,
Sinnlos ist die rollende Qual,
Die die meisten Sinne betäubt,
Außer den Tastsinn all abstumpft.
Der Moment im Bilde vergeht,
Geht über in das nächste Bild,
So rasant, dass du nicht verstehst,
Die Momente so spärlich wahrnimmst.
Nichts bleibt bestehen und auch nicht
Das, was du siehst, denn schnell schwindet
Die verzerrte Sicht, der Schwindel
Macht dich buchstäblich zum Blinden.
Hörst du nur dich und sonst nichts,
Die Geräusche des Sturzes nur,
Den Kontakt deiner mit dem Stein,
Den Wind der unschuldigen Eil?
Doch wann endet dieses Spiel nur?
Irgendwann musst du aufprallen,
Landen auf dem Grund allen Seins,
Wo nichts mehr rollt, poltert und fällt.
Was wird danach nur geschehen?
Aufstehen, wieder aufsteigen,
Die Treppe andersrum nutzen,
Gar zum Anfang zurückdrehen?
© 16/05/2012 by SR/Sray