Typische Frage in Gesprächen mit neuen Leuten: woher kommst du? – Ähm, aus Wertheim, und du? – Nein, ich meinte, wo du ursprünglich herkommst. – Ach so, aus Laos kommen meine Eltern, bin aber hier geboren.
Wenn die Leute aber tatsächlich zuerst wissen wollten, woher ich in Sachen Heimat stamme, und sie den Ortsnamen Wertheim hören, schaltet sich gleich die Assoziation ein: „Ah, Wertheim Village!“
Ja, Leute, genau, ich wohne im Wertheim Village, in diesem Factory-Outlet-Center (FOC) zwischen dem BOSS-Laden und der Calvin-Klein-Underwear-Filiale. Die falsch gestellten Fragen und Reaktionen nerven zwar ein wenig, doch nehme ich es ihnen allgemein nicht so sehr übel.
Seit Mitte der Nullerjahre existiert das Einkaufsparadies für gut betuchte Sparfüchse, Touristen und Mittelschichts-Angehörige auf dem sogenannten Almosenberg, und hat die Burg Wertheim zumindest kommerziell als Wahrzeichen abgelöst. Die meisten Nichtkenner wissen gar nicht, dass das künstliche Dorf ca. 10km von der Stadt selber entfernt ist.
Zuerst musste ich vor Erfüllung des Vorhabens, nach Würzburg zu fahren, mehrere Sachen erleiden, die typisch sind in der Provinz. Mehrere Autos vor mir fuhren hinter LKWs, die wiederum einem beschissenen Traktor hinterherfuhren. Und als das dringende Tanken an der ESSO nicht klappte wegen weiteren Auto-Schlangen, zog es mich zu einer freien Tankstelle in Wertheim-Bettingen. Doch auch dort wurde ich gepiesackt, nämlich von einer lahmen, gebrechlichen Greisin vor mir an der Zapfsäule.
Nach all dem Trubel wollte ich mich erst einmal, naja, ausruhen. So fuhr ich zum Wertheim Village, welches keine zwei Kilometer entfernt ist. Dort war ich seit fast zwei Jahren nicht mehr! Der Plan war, Ex-Kommilitone und Ex-Student TBB-Ball-Tobibei der Arbeit im Levi’s-Store zu besuchen, ohne etwas Bestimmtes zu kaufen. Als er mich sah, freute er sich riesig.
Er erzählte lauter Anekdoten von der Arbeit, fragte mich anschließend, was ich denn so für Sachen gut fände und welche Jeansgröße ich besäße. Sogleich drehte er mir drei Hosen an, von denen eine Jeans trotz Slim-Schnitt gut saß, farblich bloß okay war. Bei einer grauen Jeans musste ich die Luft anhalten, gefiel mir optisch jedoch besser. In die dritte passten nicht mal meine Beine rein.
Aufgrund des mangelnden Einkaufsbudgets entschied ich mich für ein Oberteil. Von insgesamt sechs T-Shirts und zwei Polo-Shirts, die er mir zumeist empfahl, fand ich viele solala, weil sie beim Anziehen nicht saßen. Ein Shirt war aber fast perfekt = das beste Teil. Gekauft!
Levi’s ist tatsächlich der Laden mit dem besten Service trotz oder gerade wegen der geringen Unaufdringlichkeit der Verkäufer/innen. Außer man kennt einen von denen, haha! Dort finde ich aber immer etwas. Und dass ich den extrem humorvollen TBB-Ball-Tobi so wiedersehen konnte, war sicherlich stimulierend für meine Lachmuskeln.
Komisch, dass ich auf der Rückfahrt nach Hause beim Ortsanfang von Urphar einen schwarzen Coupé (Audi?) halten sah. Dahinter war eine ganze Schlange von Autos, vielleicht 15 bis 20. Ich sah nur den männlichen Fahrer ein rotes Ding auf die Wiese schmeißen, dann stieg er wieder ein und fuhr weiter. Als ich länger hinschaute, erkannte ich ein rotes Kissen in Herzform. Beziehungsstress? Fantasie, schreib mir eine Geschichte dazu!