Fast jede namhafte Zeitung/Zeitschrift, gerade in den Rubriken „Musik“, „TV“ und „Filme“, macht bei year-end lists mit. Ab Anfang Dezember schießen somit lauter Jahres-Listen zu den besten Alben und Songs, zu Fernsehflops und den erfolgreichsten Kinofilmen aus dem Boden.
Warum ist das so? Printmedien veröffentlichen möglichst vor Jahresschluss ihre aus Redaktionskonsens entstandenen Listen, da gerade monatlich erscheinende Magazine für einen ganzen Monat vorausdenken müssen. Eine Februarausgabe, die Mitte Januar herauskommt, wäre demnach zu spät dran für einen Jahresrückblick.
Zudem muss auch immer der Redaktionsschluss vor Layout, Druck und Transport beibehalten werden. Also bleibt im Dezember selbst vom Monat Dezember meist nichts mehr übrig. Kommt aber den Redakteuren ganz recht: vom notorisch veröffentlichungsschwachen Dezember bis Mitte Januar ist tote Hose, sodass es dann mehr Listen und weniger Plattenkritiken gibt.
Komisch ist jedoch, dass Online-Medien, gerade Blogs, zur selben Zeit auflisten, obwohl sie an keinerlei Fristen gebunden sind. Liegt wohl am Wettbewerb, alle wollen in der sogenannten list season dabei sein.
Ein Kommentator zu einer Best-Albums-Liste auf Stereogum.com meinte einmal richtig, dass hier eine der seltenen Fälle zu sehen ist, in denen Printmedien den Onlineversionen gewisse Marktmechanismen vordiktieren. Die Oldies sind also noch nicht abzuschreiben.
Ich aber entziehe mich der Listen-Hauptsaison. Heute ist der 2. Januar 2013. Was waren 2012 meine Lieblingsalben?
20. Laurel Halo: Quarantine
19. METZ: METZ
18. Godspeed You! Black Emperor: ALLELUJAH! DON’T BEND! ASCEND!
17. Fiona Apple: The Idler Wheel Is Wiser than the Driver of the Screw and Whipping Cords Will Serve You More than Ropes Will Ever Do
16. Mac DeMarco: 2
15. Beach House: Bloom
14. Andy Stott: Luxury Problems
13. Flying Lotus: Until the Quiet Comes
12. Hot Chip: In Your Heads
11. Crystal Castles: (III)
10. Dr. Dog: Be the Void
[Suche man gute Schunkelmusik, fände man sie hier: die Beach Beatles der Retro-Neuzeit machen höchst charmanten Indie-Rock. Kumpelhaft.]
09. Kendrick Lamar: good kid, m.A.A.d. city
[Straßenaffin, tiefgängig, partytauglich und doch sehr poetisch: aus einem Guss ist das Konzeptalbum des neuen Strahlemanns des US-Hip-Hop.]
08. Miguel: Kaleidoscope Dream
[Der R’n’B-Sänger emanzipiert sich mit Einflüssen aus Electronica, Synth-Pop und Alt.Soul à la The Weeknd formidabel vom Euro-Trance-Mainstream.]
07. Matthew Dear: Beams
[Das ist elegant bouncende Mid-Tempo-Neo-Discomusik, so knackig, dass sie an James Murphys Ex-Projekt LCD Soundsystem erinnert.]
06. Grimes: Visions
[Indietronica-Witch-House-Synth-K-Pop. Oder das sehr gelungene dritte Album der Kanadierin Claire Boucher.]
05. Killer Mike: R.A.P. Music
[Ein für Hip-Hop-Album-Verhältnisse angenehm bündiges Album voller Energie, politischem Bewusstsein und lyrischer Diktion.]
04. Xiu Xiu: Always
[Eine der von mir diesjährig am meisten gehörten Platten war gleichzeitig eine der am meisten unterschätzten. Ein Synth-Noise-Indie-Pop-Spektakel.]
03. Menomena: Moms
[Selten war ein Album dieses Jahr so konzise, weise, atmosphärisch, treibend, gelassen, emotional und schön wie dieses Indie-Prog-Pop-Rock-Meisterstück.]
02. Frank Ocean: channel ORANGE
[Eigentlich bestand dieses lyrisch herausragende Pop-Soul-Electro-Funk-Psychedelic-Album nur aus Hits und Misses, aber es ist auch dank der Persona des Sängers mehr als die Summe ersterer.]
01. Grizzly Bear: Shields
[Das fast vollkommene Album der Indie-Art-Psych-Rocker bezauberte mit Kontrasten: komplexe Arrangements, eingängige Melodien, Wärme, Intellekt und schiere Größe.]